Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Mai 2002 - 5 StR 199/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) in den Schuldsprüchen dahin abgeändert , daß jeweils die tateinheitliche Verurteilung wegen Landfriedensbruchs entfällt,
b) aufgehoben aa) bei dem Angeklagten G im Ausspruch über die Höhe der einheitlichen Jugendstrafe , einschließlich der Entscheidung über deren Aussetzung zur Bewährung, bb) bei dem Angeklagten Gh im Rechtsfolgenausspruch.
1. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Amtsgericht Hamburg – Jugendschöffengericht – zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils des Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Bedrohung für schuldig befunden, den Angeklagten G ferner der Bedrohung in zwei Fällen, der Beleidigung in fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, sowie der gefährlichen Körperverletzung. Es wurden gegen den Angeklagten G unter Einbeziehung von zwei rechtskräftigen Urteilen, mit denen er jeweils zu Jugendstrafe verurteilt worden war, eine einheitliche Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, gegen den Angeklagten Gh zwei Wochen Jugendarrest verhängt.
Die Revisionen beider Angeklagter führen jeweils mit der Sachrüge zu einer Schuldspruchänderung zugunsten der Angeklagten, welche die Aufhebung der Rechtsfolgenaussprüche, bei Gh umfassend, bei G teilweise, nach sich zieht. Darüber hinaus sind die Revisionen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Insoweit wird auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 6. Mai 2002 Bezug genommen. Die Schriftsätze der Verteidiger vom 21. und 29. Mai 2002 haben dem Senat vorgelegen.
1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Landfriedensbruchs gemäû § 125 Abs. 1 Nr. 2 StGB hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Es fehlt an tragfähigen Feststellungen zum Tatbestandsmerkmal der Menschenmenge. Vor der Polizeirevierwache fanden sich möglicherweise nur zehn Personen ein, die dort gemeinsam diensthabende Beamte unter anderem mit ihrer Tötung bedrohten. Diese Personenzahl reicht als solche zur Annahme einer Menschenmenge noch nicht aus, es sei denn, es kämen eine besondere Unübersichtlichkeit am Tatort oder sonstige besondere Umstände hinzu (vgl. BGHR StGB § 125 Menschenmenge 1; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 124 Rdn. 2a m. w. N.), wofür es indes an Feststellungen fehlt. Da hierfür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte bestehen und die verbleibende Beurteilung der Tat als gemeinschaftliche Bedrohung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten erkennen läût, kann der Senat über den so reduzierten Schuldspruch abschlieûend entscheiden.
Auf die Verfahrensrüge des Angeklagten Gh , die Ablehnung eines für den Fall der Verurteilung wegen Landfriedensbruchs gestellten Hilfsbeweisantrages betreffend, kommt es danach nicht an. Soweit dieser Antrag, der auf zeugenschaftliche Vernehmung des Vaters der Angeklagten , eines Augenzeugen der Tat, gerichtet war, wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt wurde, liegt indes die von der Revision gerügte unzulässige Einengung des Beweisthemas auûerordentlich nahe.
2. Trotz der immerhin verbleibenden Nähe der Tat zu einem Landfriedensbruch läût sich ein Beruhen der Rechtsfolgenaussprüche auf dem Rechtsfehler nicht mit letzter Sicherheit gänzlich auszuschlieûen. Der Senat schlieût indes bei dem Angeklagten G im Blick auf die zahlreichen weiteren Schuldsprüche, die Vorbelastungen dieses Angeklagten und den Bewährungsbruch aus, daû eine mindere Sanktion als die Verhängung einer einheitlichen Jugendstrafe nach § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG in Betracht kommen könnte. Über deren Höhe und die Frage ihrer Aussetzung zur Bewährung wird ein neuer Tatrichter ± hier das Jugendschöffengericht ± zu entscheiden haben, desgleichen über den gesamten Rechtsfolgenausspruch gegen den Angeklagten Gh .
Der neue Tatrichter wird dabei die rechtsfehlerfrei getroffenen, insgesamt ± auch zu den einbezogenen früheren Urteilen gegen den Angeklagten G ± aufrechtzuerhaltenden Feststellungen des angefochtenen Urteils zugrundezulegen haben. Er darf sie lediglich durch neue widerspruchsfreie Feststellungen ergänzen, die namentlich zur weiteren persönlichen Entwicklung der Angeklagten zu treffen sein werden. Nicht zu den auf- rechterhaltenen Feststellungen gehören die als wahr unterstellten, im angefochtenen Urteil indes nicht erörterten Beweisbehauptungen aus dem Beweisantrag des Angeklagten G auf zeugenschaftliche Vernehmung eines Sozialarbeiters. Hierüber wird bei erneutem entsprechenden Beweisantritt der neue Tatrichter zu befinden haben und die unter Beweis gestellten Behauptungen, sofern er sie feststellt oder zugunsten des Angeklagten G unterstellt, bei der von ihm zu treffenden Rechtsfolgenentscheidung , namentlich zur Strafaussetzung, zu berücksichtigen und im Urteil zu erörtern haben.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer sich an
- 1.
Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder - 2.
Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,
(2) Soweit die in Absatz 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Abs. 3, 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.
(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.
(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.
(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es auf Jugendstrafe erkennt.