Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Juni 2016 - 5 StR 194/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Juni 2016 beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Seine Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet gemäß § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Begründung, mit der das Landgericht eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB abgelehnt hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 3
- a) Die Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB kommt im Falle einer alkoholbedingten Verminderung der Schuldfähigkeit in Betracht, wenn diese auf einer Trunkenheit beruht, die dem Täter uneingeschränkt vorwerfbar ist. Ein die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigender Alkoholrausch ist jedoch dann nicht uneingeschränkt vorwerfbar, wenn der Täter alkoholkrank oder -überempfindlich ist. Eine Alkoholerkrankung, bei der schon die Alkoholaufnahme nicht als schulderhöhender Umstand zu werten ist, liegt regelmäßig vor, wenn der Täter den Alkohol aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weitgehend beherrschenden Hanges trinkt, der seine Fähigkeit einschränkt, der Versuchung zum übermäßigen Alkoholkonsum zu widerstehen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 2. August 2012 – 3 StR 216/12, NStZ 2012, 687, und vom 15. September 2015 – 5 StR 341/15).
- 4
- b) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen lassen es als möglich erscheinen, dass eine derartige Alkoholerkrankung des Angeklagten zum Zeitpunkt der Alkoholaufnahme gegeben war. Im Urteil ist festgestellt, dass der Angeklagte schon seit Jahrzehnten Alkohol im Übermaß konsumiert. Bis zu seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung im November 2011 nahm er jahrelang an Treffen der Anonymen Alkoholiker teil. Seine Bemühungen, sein Alkoholproblem aufzuarbeiten, blieben allerdings stets erfolglos. An das ihm nach seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung im Rahmen der Führungsaufsicht auferlegte Alkoholverbot hielt er sich nicht, sondern trank weiterhin regelmäßig und in erheblichem Maße, insbesondere Bier und Schnaps. Auch zur Tatzeit betrug seine Blutalkoholkonzentration 2,8 Promille. Überdies kommen nach den Angaben des psychiatrischen Sachverständigen beim Angeklagten zu seiner möglicherweise gegebenen Alkoholabhängigkeit hirnorganische Beeinträchtigungen und eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur hinzu. Angesichts die- ser Feststellungen hätte sich das Landgericht im Rahmen der Prüfung einer Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob dem Angeklagten aufgrund einer Alkoholerkrankung sein Alkoholkonsum uneingeschränkt vorgeworfen werden kann.
- 5
- 2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Tatgericht bei rechtsfehlerfreier Erörterung eine Strafrahmenmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vorgenommen hätte. Der Strafausspruch hat daher keinen Bestand. Dies zieht die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach sich, da diese untrennbar mit den Feststellungen zum Strafausspruch und der Höhe der Freiheitsstrafe verbunden ist. Die Sache bedarf daher zum gesamten Rechtsfolgenausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung.
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.