Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juni 2013 - 5 StR 191/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verabredete sich der Angeklagte mit den Beteiligten M. und T. , künftig in einer Vielzahl von Fällen vom Angeklagten zu beschaffendes Crystal in Mengen von jeweils 500 Gramm von Polen nach Deutschland zu verbringen und dort zu verkaufen. Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend sollte das Rauschgift durch M. zu Fuß über den Grenzübergang Altstadtbrücke in Görlitz gebracht und von dort durch einen Kurier zu dem für den Absatz zuständigen T. verbracht werden. Als Kurier wurde der frühere Mitangeklagte G. gewonnen ; der Angeklagte beschaffte im Zeitraum Mai bis Oktober 2007 in sechs Fällen absprachegemäß jeweils 500 Gramm Crystal, die G. hinter dem Grenzübergang auf deutscher Seite von M. – in einem Fall auch vom Angeklagten – entgegennahm und mit seinem Pkw zu T. verbrachte , der das Rauschgift anschließend weiterverkaufte.
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- Das Landgericht hat seine Feststellungen im Wesentlichen auf die eine eigene Tatbeteiligung eingestehenden Aussagen des ehemaligen Mitangeklagten G. gestützt, die dieser im Dezember 2007 und März 2008 gegenüber der Polizei gemacht hatte. In der Hauptverhandlung hat G. dieses Geständnis widerrufen und erklärt, er habe durch die damaligen Angaben erreichen wollen, dass er aus der gegen ihn seinerzeit in einem Ermittlungsverfahren wegen Betruges vollzogenen Untersuchungshaft entlassen werde. Dass eine solche Aussage unter Einschluss eigener Tatbeteiligung Voraussetzung für die Außervollzugsetzung des Haftbefehls sei, sei ihm von den Vernehmungsbeamten deutlich gemacht worden.
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- 2. Die tatgerichtliche Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
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- a) Das Landgericht hat sich seine Überzeugung vom Tatgeschehen aufgrund der Angaben der Vernehmungsbeamten B. , Gu. und K. zum Inhalt der früheren Aussagen des ehemaligen Mitangeklagten G. verschafft. Bei den Vernehmungsbeamten handelt es sich somit um Zeugen vom Hörensagen, auf deren Bekundungen den Angeklagten belastende Feststellungen nur dann hätten gestützt werden dürfen, wenn sie durch andere wichtige Gesichtspunkte bestätigt worden wären (Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 83a mwN; vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 9. April 2013 – 5 StR 138/13 – und vom 8. Mai 2007 – 4 StR 591/06). Dies gilthier in besonderem Maße, weil der vormalige Mitangeklagte G. , von dessen Angaben die Verurteilung letztlich allein abhing, seine früheren Aussagen in der Hauptverhandlung ausdrücklich widerrufen und selbst als bewusst unwahr gekennzeichnet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2012 – 5 StR 401/12; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158 f.).
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- Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die vom Landgericht angeführten sonstigen Indizien bestätigen zwar in Randbereichen frühere Angaben G. s. Sie weisen jedoch sämtlich keinen unmittelbaren Bezug zum Tatgeschehen auf und stellen weder für sich betrachtet noch in ihrer Gesamtschau Beweisanzeichen von Gewicht für die Täterschaft des Angeklagten dar.
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- aa) Dass die von G. geschilderten Taten in einen Zeitraum fallen , in dem M. nicht inhaftiert war, ist im Rahmen der Beurteilung des Wahrheitsgehalts der Aussage G. s kaum aussagekräftig; es schließt im Wesentlichen nur eine gesicherte Widerlegung von G. s Angaben aus. Da G. und M. zeitweise gemeinsam inhaftiert waren, liegt es äußerst nahe, dass G. die Haftzeiten M. s kannte und diese auch im Falle einer falschen Aussage hätte berücksichtigen können. Zudem besagt die Tatsache, dass die Haftzeiten M. s zeitlich zur Schilderung G. s passen, noch nichts über eine Tatbeteiligung des Angeklagten.
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- bb) Der Wechsel der Telefonnummer durch G. wenige Tage nach der Inhaftierung M. s mag zwar als gewisser Hinweis auf eine Beteiligung G. s an von M. begangenen Taten gewertet werden können; einen Schluss auf Tatbeiträge des Angeklagten erlaubt dieser Umstand jedoch ebenso wenig wie er auf die konkreten von G. behaupteten Taten hinweist.
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- cc) Die Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen lassen lediglich einen einzigen Kontakt zwischen dem Angeklagten und seinem angeblichen Mittäter T. erkennen. Dies allein kann ebenfalls noch nicht als gewichtiges zusätzliches Indiz für die Täterschaft des Angeklagten gewertet werden, zumal Kontakte des Angeklagten und der angeblichen weiteren Tatbeteiligten zu G. damit nicht festgestellt werden konnten. Der Inhalt der SMS des Angeklagten an T. lässt vielmehr eine Einbindung G. s in ein etwaiges Tatgeschehen eher zweifelhaft erscheinen.
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- dd) Die von der Strafkammer angeführten Anhaltspunkte aus dem Jahr 2008 für das Bestehen eines Absatzmarktes für Einzellieferungen von 500 Gramm Crystal im Raum Görlitz sind für die Frage nach einer Beteiligung des Angeklagten an den verfahrensgegenständlichen Taten irrelevant und vermögen die diesbezüglichen Angaben G. s auch im Übrigen nicht zu bestätigen.
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- ee) Das vom Landgericht festgestellte Verhalten G. s anlässlich der bei einer Vernehmung im März 2008 erfolgten Vorlage von Lichtbildern des Angeklagten und T. s erlaubt zwar den von der Strafkammer gezogenen Schluss, dass die in der Hauptverhandlung abgegebene Erklärung G. s unzutreffend war, er habe den Angeklagten und T. zum Zeitpunkt der Lichtbildvorlage überhaupt nicht gekannt. Ein Anhaltspunkt von Gewicht für die Richtigkeit der von G. in den früheren Vernehmungen erbrachten Tatschilderungen und für eine Beteiligung des Angeklagten kann hierin jedoch nicht gefunden werden.
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- ff) Von ebenso geringer Aussagekraft für die Richtigkeit des vonG. behaupteten Tatgeschehens ist der vom Landgericht herangezogene Umstand, dass G. offenbar tatsächlich wusste, wo T. wohnt und welches Auto dieser fuhr.
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- gg) Die Tatsache, dass auch der Zeuge M. den Angeklagten in der Hauptverhandlung des Handeltreibens mit Crystal bezichtigt hat, vermag in der vorliegenden Konstellation die aufgrund der polizeilichen Vernehmungen G. s gewonnene Überzeugung der Strafkammer nicht zu stützen. Eine Bestätigung der fraglichen Angaben G. s kann in der Aussage M. s nicht gesehen werden, da M. zwar seine eigene und des Angeklagten Tatbeteiligung eingeräumt, eine Mitwirkung G. s, den er erst im No- vember/Dezember 2007 in der Justizvollzugsanstalt kennengelernt haben will, aber vehement in Abrede gestellt hat. Mit den Bekundungen M. s übereinstimmende Mindestfeststellungen zu Rauschgiftgeschäften unter Beteiligung von M. und dem Angeklagten, die bei entsprechender tatgerichtlicher Würdigung möglicherweise denkbar gewesen wären, hat das Landgericht nicht getroffen. Unmittelbar auf seine Aussage kann sie ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten in den abgeurteilten Fällen nicht gestützt haben.
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- b) Darüber hinaus ist die Beweiswürdigung des Landgerichts lückenhaft , weil sie die Gründe des dem Urteil zufolge in der Hauptverhandlung verlesenen freisprechenden Urteils im Verfahren gegen T. vom 11. August 2010 unerörtert gelassen hat. Außerdem ist das ebenfalls verlesene Urteil gegen M. vom 11. Juni 2012, das offenbar von den Angaben G. s abweichende Feststellungen enthielt, nicht näher erläutert worden. Im Übrigen ist auch zu dem weiteren Ablauf und dem Ergebnis des Betrugsverfahrens , in dem G. 2007 inhaftiert war, nichts festgestellt.
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- 3. Die Sache bedarf danach einer erneuten umfassenden tatgerichtlichen Überprüfung und Bewertung. Da von dem vorliegenden Verfahren nur noch der bei Tatbegehung bereits erwachsene Beschwerdeführer betroffen ist, verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück.
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- Sofern sich in der neuen Hauptverhandlung eine Tatbeteiligung des Angeklagten feststellen lassen sollte, wird das neue Tatgericht gegebenenfalls auch die Rolle des Vaters des Angeklagten, der nach den Angaben G. s „die ganzen Fäden zieht“, in den Blick zu nehmen und deren Auswirkungen auf die Bewertung etwa festzustellender Tatbeiträge des Angeklagten zu prüfen haben. Eine führende Stellung des Angeklagten in einer Bande belegt das Urteil nicht.
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- Insbesondere angesichts des immensen Abstandes zwischen G. s belastenden Angaben und der Anklageerhebung wird das neue Tatgericht die Frage rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung eingehender zu prüfen haben. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass auch die bislang unterbliebene effektive Strafverfolgung des sich selbst belastenden G. gänzlich unzulänglich erklärt ist.
Dölp Bellay
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.