Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2002 - 5 StR 118/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
a) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist,
b) soweit eine Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung abgelehnt worden ist.
1. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freisprechung im übrigen – wegen sieben Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln , davon zweimal in nicht geringer Menge, sechsmal in Tatein- heit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, in einem Verbrechensfall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision des Angeklagten ± die im übrigen unbegründet ist (§ 349 Abs. 2 StPO) ± führt zur Urteilsaufhebung, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Dies zieht die Aufhebung der negativen Entscheidung über die Strafaussetzung nach sich.
Nach den Urteilsfestsstellungen hat der wegen seiner Kokainabhängigkeit möglicherweise erheblich vermindert steuerungsfähige Angeklagte die Taten zur fortdauernden Befriedigung und Finanzierung seiner Sucht begangen. Der Tatrichter hat die negative Prognose des Angeklagten maßgeblich damit begründet, daß dieser seinen Drogenkonsum während laufender Bewährungszeit nicht ernsthaft bekämpft habe; die Strafkammer “ist der Auffassung, daß es bei seinem bisherigen Konsumverhalten allein mit dem Aufhören nicht getan ist, sondern eine ernsthafte Therapie erforderlich wäre” (UA S. 13). Angesichts dieser für sich rechtsfehlerfreien Beurteilung war eine Prüfung und Entscheidung, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB vorlagen, unerläßlich. Dies ist unterblieben, was das Revisionsgericht auch auf die alleinige Revision des Angeklagten ± der das Rechtsmittel auch nach entsprechender Rückfrage nicht beschränkt hat ± zu beanstanden hat (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Der Strafausspruch bleibt von dem Rechtsfehler unberührt; der Senat kann ausschließen, daß die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe im Falle entsprechender Unterbringung noch milder bemessen worden wären. Indes zieht die Beanstandung der unterbliebenen Unterbringungsentscheidung die Aufhebung der für sich fehlerfrei begründeten negativen Entscheidung zur Strafaussetzung gemäß § 56 StGB nach sich. Die vom neuen Tatrichter mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO) zu treffende Maûregelentscheidung hängt im vorliegenden Fall wegen der gleichermaûen maûgeblichen Prognose über das künftige Sucht- und Legalverhalten des Angeklagten mit der Bewährungsentscheidung sachlich so eng zusammen, daû eine einheitliche Entscheidungsfindung hierüber zu gewährleisten ist.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.