Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Mai 2019 - 5 StR 108/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Mai 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 sowie entsprechend § 354 Abs. 1 und nach § 357 Satz 1 StPO beschlossen :
Auf die Revision des Angeklagten Y. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Oktober 2018 dahin geändert,
1. dass die Angeklagten Y. und A. jeweils des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig sind,
2. dass der Angeklagte Y. deswegen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten, der Angeklagte A. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt ist.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten Y. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den nichtrevidierenden Mitangeklagten A. hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
- 2
- Die gegen das Urteil gerichtete Revision des Angeklagten Y. führt mit der Sachrüge zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen bleibt ihr aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 27. Februar 2019 der Erfolg versagt.
- 3
- 1. Der Generalbundesanwalt hat Folgendes ausgeführt: „Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat einen Rechtsfehler lediglich insoweit ergeben, als das Landgericht die auf den Absatz von Heroin und Kokain gerichteten Handlungen des Angeklagten als zwei tatmehrheitliche Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eingestuft hat. Dies hält rechtlicher Nachprüfung indessen nicht stand. Das Landgericht ist zwar rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die bloße zeitgleiche Aufbewahrung verschiedener Betäubungsmittelmengen für sich genommen regelmäßig nicht die Kraft hat, mehrere selbstständige umsatzbezogene Rechtsverstöße nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu Tateinheit zu verklammern (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. März 2018 – 2 StR 408/17 – Rdnr. 10; vgl. auch Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl. 2019, § 29a Rdnr. 156 i.V.m. § 29 Teil 4 Rdnr.
1).
Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend abändern. Die Regelung des § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung der verhängten Einzelstrafen nach sich. Der Senat kann indessen die vom Landgericht verhängte Gesamtfreiheitsstrafe in entsprechender Anwendung der Regelung des § 354 Abs. 1 StPO als Einzelstrafe bestehen lassen. Es kann ausgeschlossen werden, dass das Landgericht allein aufgrund einer abweichenden Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses eine niedrigere Strafe verhängt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2012 – 2 StR 294/12 – Rdnr. 5, juris).“- 4
- Der Senat tritt dem bei und ändert den Schuld- und Strafausspruch entsprechend ab.
- 5
- Zum Revisionsvorbringen bemerkt er ergänzend, dass gegen die Gewichtung sowohl einer vielfachen Überschreitung der nicht geringen Menge Kokain , als auch des hohen Wirkstoffgehalts des Kokains rechtlich nichts zu erinnern ist. Denn der letztgenannte Umstand betrifft die Gefährlichkeit des gehandelten Rauschgifts (vgl. auch Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung , 6. Aufl., Rn. 590, 1801).
- 6
- 2. Die Entscheidung war gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Mitangeklagten A. zu erstrecken.
- 7
- a) Wegen der Akzessorietät der Beihilfe kann für die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Tatbeiträge dieses Angeklagten nicht außer Betracht bleiben , dass die Handlungen des Angeklagten Y. eine Bewertungseinheit bilden (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 2. September 2008 – 5 StR 356/08, NStZ-RR 2008, 386; vom 11. Mai 1999 – 4 StR 162/99, NStZ 1999, 451; vom 14. Januar 2015 – 4 StR 440/14, NStZ-RR 2015, 113, alle mwN). Die vom Angeklagten A. geleistete Beihilfe in Bezug auf das Heroin tritt danach hinter die mittäterschaftliche Beteiligung an dem durch den Angeklagten Y. verwirklichten einheitlichen Handelsgeschäft zurück (vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 – 3 StR 156/08; SSW-StGB/Murmann, 4. Aufl., § 27 Rn. 14). Gleiches gilt für den durch das Landgericht – von seinem Standpunkt aus zutreffend – gesondert ausgeurteilten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 845).
- 8
- b) Die gegen den Mitangeklagten A. verhängten Einzelstrafen entfallen. Die ausgeurteilte Gesamtfreiheitsstrafe kann im Blick auf den durch die Schuldspruchänderung nicht tangierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat als Freiheitsstrafe aufrechterhalten werden.
Mosbacher Köhler
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Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.