Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Jan. 2000 - 4 StR 609/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Beihilfe zum sexuellen Mißbrauch eines Kindes und der Körperverletzung in drei Fällen wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Maßregel hat es zur Bewährung ausgesetzt. Die nur den Maßregelausspruch betreffende, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht hat sich rechtsfehlerfrei die Überzeugung verschafft, daß der Angeklagte die ihm angelasteten Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen hat. Zur Gefährlichkeitsprognose ist es sachverständig beraten zur Auffassung gelangt, daß der Angeklagte in Überforderungssituationen zu ”Aggressionsdurchbrüchen” neige. Er sei ”aufgrund seiner Kritikschwäche verleitbar und könne deshalb durch den Einfluß krimineller Personen wieder straffällig werden” (UA 17). Es seien daher ”bei Versagen der derzeit bestehenden Kontrollmechanismen und dem Einfluß eines kriminellen Umfelds weitere erhebliche Straftaten zu erwarten”. Das ist - wie die Revision zu Recht rügt - durch die Feststellungen nicht hinreichend belegt.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus stellt einen gewichtigen Eingriff dar. Sie ist nur statthaft, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist (st. Rspr., vgl. BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 12, 16, 20, 22). Die Anlaßtaten des vorliegenden Verfahrens wiegen sicherlich schwer. Das Landgericht hätte aber auch Umstände in die Gesamtbetrachtung einbeziehen müssen , die gegen eine Wiederholungsgefahr sprechen könnten: So liegen die Taten (Tatzeitraum: 1992 bis 1994) bereits längere Zeit zurück. Der 53-jährige Angeklagte hat sich zuvor und auch danach straffrei geführt. Zu tätlichen Übergriffen des Angeklagten ist es bisher - soweit ersichtlich - ausschließlich im engeren Familienkreis gekommen. Nachdem die Ehefrau des Angeklagten bereits 1995 verstorben ist, und er nach den getroffenen Feststellungen zu den Kindern keinen Kontakt mehr unterhält (UA 3), ist auch insoweit eine Wiederholungsgefahr nicht erkennbar. All dies hätte näherer Erörterung bedurft, zumal der Angeklagte unter Betreuung (§§ 1896 ff BGB) steht und nach den Angaben
seiner Betreuerin ihren Anweisungen, insbesondere sich von bestimmten Personen fernzuhalten, widerspruchslos folgt (UA 18).
Über die Unterbringungsanordnung ist daher neu zu befinden; bei den nicht angegriffenen Feststellungen zu den rechtswidrigen Taten hat es sein Bewenden.
Meyer-Goßner Maatz Athing Ernemann
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.