Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2010 - 4 StR 563/10

published on 18/11/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Nov. 2010 - 4 StR 563/10
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 563/10
vom
18. November 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. November 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 14. Juni 2010 im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision.
2
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen die Schuldsprüche richtet. Hinsichtlich der Strafaussprüche hat es dagegen Erfolg.
3
1. Die Strafkammer hat die Einzelstrafen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen II. 5., 7. und 10. der Urteilsgründe fehlerhaft zugemessen.
4
Das Landgericht hat in seinem Urteil im Rahmen der Strafzumessung zunächst geprüft, ob in den als Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge abgeurteilten Fällen jeweils ein minder schwerer Fall vorliegt. Dabei hat es eine Gesamtwürdigung von Tat und Täter vorgenommen und als erschwerenden Umstand gewertet, "dass die Grenzwerte zur nicht geringen Menge in jedem dieser Fälle jeweils um ein Vielfaches überschritten wurden" (UA 14). Hinsichtlich der Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens hat es sodann lediglich ausgeführt, dass ein minder schwerer Fall "jeweils mit der oben bereits dargestellten Begründung abgelehnt" werde (UA 14) und dann unter Berücksichtigung "weiterer Erwägungen" (UA 16) die Einzelstrafen zugemessen.
5
Dabei hat das Landgericht ersichtlich übersehen, dass der Angeklagte in den Fällen II. 5., 7. und 10. der Urteilsgründe mit Haschisch gehandelt hat, dessen Wirkstoffanteil 7,5g THC (Fall 5), 12,5g THC (Fall 10) bzw. 15g THC (Fall
7) betrug und damit den Grenzwert zur nicht geringen Menge gerade erreichte oder bis zum Doppelten überschritt, jedenfalls aber nicht ein Vielfaches der nicht geringen Menge betraf.
6
2. Zudem begegnet die Strafzumessung in den Fällen II. 4. bis 12. der Urteilsgründe insofern rechtlichen Bedenken, als die Strafkammer die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BtMG abgelehnt hat.
7
Diese Ablehnung hat das Landgericht nicht auf eine - vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbare - Ermessensausübung, sondern darauf gestützt, dass der Angeklagte keinen "wesentlichen" Aufklärungsbeitrag geleistet habe, weil er zu weiteren Tatbeteiligten und Drogengeschäften Dritter "lediglich bereits bekannte Erkenntnisse bestätigt und diese durch nur unwesentliche Randdetails ergänzt hat" und keine "neuen und weitergehenden Erkenntnisse" gewonnen werden konnten (UA 16). Dies lässt besorgen, dass die Strafkammer den Begriff "wesentlich" verkannt hat. Hierunter fallen nämlich auch Angaben etwa zu den Hintermännern von Betäubungsmittelstraftaten, die sich mit bereits vorhandenen Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden decken, sofern dadurch eine sicherere Grundlage für den Nachweis dieser Taten und der Möglichkeit ihrer strafrechtlichen Verfolgung geschaffen wird (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - 3 StR 413/08, NStZ-RR 2009, 58, 59 m.w.N.).
8
3. Diese Rechtsfehler führen zur Aufhebung der in den Fällen II. 4. bis 12. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Der Senat hebt indes - um dem Tatrichter insgesamt eine neue Strafzumessung zu ermöglichen - auch die in den Fällen 1 bis 3 verhängten Einzelstrafen auf, zumal nach den getroffenen Feststellungen hinsichtlich dieser Taten - jedenfalls teilweise (der Angeklagte hat bezüglich des Handels mit 1kg Amphetamin den Verkäufer und den Käufer benannt, UA 9) - die Anwendung der alten oder neuen Fassung des § 31 BtMG (was gegebenenfalls auch im Fall 4 zu prüfen sein wird, vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2010 - 3 StR 79/10) nicht von vorneherein ausgeschlossen ist.
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter1.durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich d
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter1.durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich d
2 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 27/04/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 79/10 vom 27. April 2010 in der Strafsache gegen wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbu
published on 23/10/2008 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 413/08 vom 23. Oktober 2008 in der Strafsache gegen wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Gener
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, daß eine Straftat nach den §§ 29 bis 30a, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, daß eine Straftat nach § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 30a Abs. 1 die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann.
War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nummer 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. § 46b Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.