Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2018 - 4 StR 538/17

published on 10/04/2018 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2018 - 4 StR 538/17
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 538/17
vom
10. April 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1.: schweren Bandendiebstahls
zu 2. - 4.: schweren Bandendiebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:100418B4STR538.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 10. April 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 3. Juli 2017 werden jeweils mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass
a) die Angeklagte G. T. des schweren Bandendiebstahls in 13 Fällen, des versuchten schweren Bandendiebstahls (Fall II. 17 der Urteilsgründe) und des gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges in zwei Fällen,
b) die Angeklagte M. D. des schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen, der Anstiftung zum schweren Bandendiebstahl (Fall II. 20 der Urteilsgründe) und des gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges in zwei Fällen,
c) der Angeklagte S. S. des schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen, des versuchten schweren Bandendiebstahls (Fall II. 17 der Urteilsgründe) und des gewerbs - und bandenmäßigen Computerbetruges in zwei Fällen, und
d) die Angeklagte A. T. des schweren Bandendiebstahls in vier Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls (Fall II. 17 der Urteilsgründe) schuldig sind.
2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
2
– die Angeklagte G. T. wegen schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen und wegen gewerbs- und bandenmäßig begangenen Computerbetruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten,
3
– die Angeklagte M. D. und den Angeklagten S. S. jeweils wegen schweren Bandendiebstahls in 15 Fällen und wegen gewerbs- und bandenmäßig begangenen Computerbetruges in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und drei Monaten bzw. zwei Jahren und sechs Monaten, und
4
– die Angeklagte A. T. wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten.
5
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten jeweils mit der nicht näher ausgeführten Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit Ausnahme der aus der Beschlussformel ersichtlichen, geringfügigen Berichti- gungen der Schuldsprüche sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
6
1. Zu den Revisionen der Angeklagten G. T. , A. T. und S. S.
7
Die Annahme eines vollendeten schweren Bandendiebstahls im Fall II. 17 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
a) Nach den Feststellungen begaben sich die drei Angeklagten am Nachmittag des 6. Februar 2017 mit einem von dem Angeklagten S. geführten Fahrzeug nach W. , wo die Angeklagten G. und A. T. wie zuvor abgesprochen nach Gelegenheiten für die Begehung von Diebstahlstaten suchten, während der Angeklagte S. fluchtbereit im Fahrzeug wartete. In Ausführung des gemeinsamen Tatplans betrat G. T. schließlich eine Supermarkt-Filiale und entwendete dort die Geldbörse der Zeugin L. in Erwartung eines möglichst hohen Geldbetrages. Die Geldbörse war jedoch leer.
9
b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt es dann, wenn sich der Täter, wie hier die drei Angeklagten, nicht ein Behältnis, sondern in der Hoffnung auf möglichst große Beute allein dessen vermuteten Inhalt aneignen will, hinsichtlich des Behältnisses am Zueignungswillen zum Zeitpunkt der Wegnahme. Insoweit liegt dann nur ein aus Sicht des Täters fehlgeschlagener Versuch vor (BGH, Beschlüsse vom 26. November 2003 – 3 StR 406/03, NStZ 2004, 333, und vom 8. September 2009 – 4 StR 354/09, NStZ-RR 2010, 48 [Ls]).
10
Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich die geständigen Angeklagten anders als geschehen verteidigt hätten.
11
c) Die Strafaussprüche werden durch die Schuldspruchänderung im Fall II. 17 der Urteilsgründe nicht berührt. Dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung hier von der Möglichkeit der Strafrahmenmilderung nach §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht und deshalb jeweils eine niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte, liegt fern. Die Tatausführung weist große Vollendungsnähe auf, da es vom Zufall abhing, ob die Angeklagten Geld erbeuteten oder nicht. Zudem entspricht die Höhe der gegen die Angeklagten in diesem Fall verhängten Einzelstrafen denjenigen in den Fällen II. 12 und II. 13 der Urteilsgründe, in denen lediglich geringe Geldbeträge entwendet werden konnten.
12
2. Zur Revision der Angeklagten M. D.
13
Die vom Landgericht im Fall II. 20 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen tragen die Annahme von Mittäterschaft in der Person der Angeklagten D. nicht.
14
a) Der Senat tritt dem Generalbundesanwalt bei, der in seiner Antragsschrift vom 22. Januar 2018 insoweit u.a. das Folgende ausgeführt hat: „Nach den Urteilsfeststellungen wies(en) im Fall II. 20 (UA S. 24) die Angeklagte sowie die gesondert Verfolgten St. T. und P. To. die Mitangeklagte G. T. an, sich am Morgen des 07. Februar 2017 getrennt von den übrigen Bandenmitgliedern allein nach Dortmund zu begeben, um dort gemäß der Bandenabrede Dieb- stahlstaten zu verüben. Die Mitangeklagte G. T. entwendete schließlich gegen 12:08 Uhr in einer C&A-Filiale in Dortmund von der Geschädigten eine Geldbörse mitsamt Bargeld in Höhe von 85,- Euro.
Diese Feststellungen tragen die Annahme einer Mittäterschaft nicht. Die Mitgliedschaft in einer Bande führt nicht dazu, dass jede von einem der Bandenmitglieder aufgrund der Bandenabrede begangene Tat den anderen Bandenmitgliedern als gemeinschaftliche Tat gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Die Täterschaft ist vielmehr anhand der allgemeinen Kriterien festzustellen … Die Urteilsfeststellungen belegen nicht, dass die Angeklagte die Tatherrschaft oder auch nur den Willen dazu hatte. Sie hat die Mitangeklagte G. T. zu der von dieser begangenen Tat bestimmt. Die Mitangeklagte führte nach den Feststellungen die Tat jedoch selbständig aus, denn sie bestimmte sowohl das Tatobjekt als auch die Art der Tatausführung im Einzelnen. Nicht ersichtlich ist, dass die Angeklagte darauf Einfluss nehmen konnte. Deswegen ist die Angeklagte Anstifter (§ 26 StGB) und nicht Mittäter. Der Anstiftervorsatz muss die fremde Haupttat nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in ihren Hauptmerkmalen erfassen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2003 – 2 StR 300/03).
Der Schuldspruch ist entsprechend abzuändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich die insoweit geständige Angeklagte gegen diesen Vorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.“
15
b) Mit Blick auf die gleichbleibende Strafdrohung und den unveränderten Schuldgehalt kann der Senat mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass das Landgericht bei einer Verurteilung wegen Anstiftung zum schweren Bandendiebstahl eine niedrigere Strafe verhängt hätte.
16
3. Im Übrigen hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen die Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
17
4. Die vom Senat vorgenommenen Änderungen der Schuldsprüche stellen nur unwesentliche Teilerfolge der Revisionen dar und rechtfertigen es nicht, die Angeklagten teilweise von den durch ihre Rechtsmittel entstandenen Kosten freizustellen (SSW-StPO/Steinberger-Fraunhofer, 3. Aufl., § 473 Rn. 22 mwN).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.

(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).

(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.