Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Nov. 2000 - 4 StR 463/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen ist sie – wie der Generalbundesanwalt zu den Verfahrensrügen und zur Beanstandung des Schuldspruchs in seiner Antragsschrift vom 19. Oktober 2000 zutreffend näher ausgeführt hat - unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen wollte die Ehefrau des Freundes des Angeklagten , mit der dieser - in Kenntnis des Ehemannes - ein intimes Verhältnis
hatte, den Angeklagten am Auszug aus der gemeinsamen Wohnung hindern. Als dieser sich nicht aufhalten ließ, sie zu Boden stieß und mit seinem Rucksack und Taschen die Treppe herabgehen wollte, versetzte sie ihm einen kräftigen Stoß, wodurch er die Treppe hinabstürzte; "seine Nase und Lippe blutete" (UA 6). Es kam zu einer erneuten Auseinandersetzung. Der Angeklagte, "nicht so wortgewandt wie sie und der Situation nicht mehr gewachsen, fühlte sich gedemütigt. Er beschloß, sie zu vergewaltigen und dadurch seinerseits zu demütigen" (UA 7). Deshalb zwang er sie, indem er ihren Widerstand durch Würgen brach, zum Oralverkehr.
2. Die Strafkammer hat die Strafe dem Strafrahmen des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB entnommen und zur Begründung ausgeführt, die Tat weiche vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle nicht "so sehr" ab, daß es gerechtfertigt wäre, den Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB anzuwenden.
Diese Wertung wird den Besonderheiten des Falles nicht gerecht. Das Landgericht hat zwar bedacht, daß der Angeklagte nur unerheblich vorbestraft ist, er die Tat ”aus dem Augenblick heraus” beging und die Geschädigte selbst (zu ergänzen ist: maßgeblich) zur Entstehung der Tatsituation beigetragen hatte. Wenn das Landgericht nicht deswegen schon das Vorliegen eines minder schweren Falles bejahen wollte, so hätte es zugunsten des Angeklagten weiter berücksichtigen müssen, daß zwischen ihm und der Geschädigten eine länger andauernde intime Beziehung bestanden hatte. Da das Landgericht diesen wesentlichen Umstand (vgl. BGH NStZ 1982, 26; StV 1998, 76; BGH, Beschluß vom 23. Mai 2000 – 4 StR 146/00; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 177 Rdn. 33) bei der Strafrahmenwahl nicht beachtet hat, muß die Strafe neu zugemessen werden. Hierbei wird der neue Tatrichter auch zu würdigen ha-
ben, ob der vom Angeklagten erzwungene Oralverkehr eine zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten ungewöhnliche Sexualpraktik war.
Meyer-Goßner Kuckein Athing
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.