Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Nov. 2009 - 4 StR 443/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerer Brandstiftung sowie wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt; ferner hat es den Verfall des bei dem Angeklagten sichergestellten Bargeldes von 10.000 Euro angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er nur noch die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Ausspruch über den Verfall Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
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- 2. Dagegen hält die Anordnung des Verfalls der bei dem Angeklagten sichergestellten 10.000 Euro der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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- Nach den hierzu getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte dieses Geld von dem gesondert verfolgten S. für den Verkauf eines Teils der Beute aus dem zusammen mit den Mitangeklagten Hannes Sch. und Christoph Sch. bei dem Geschädigten F. am 23. September 2008 verübten Diebstahl erhalten. Die an S. verkauften Gegenstände konnten sichergestellt werden und gelangten an den Geschädigten zurück. Über den Verbleib des übrigen Teils der Beute, deren Gesamtwert zwischen 70- und 80.000 EUR betrug, teilt das Urteil nichts mit.
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- Das sichergestellte Geld war danach - wie das Landgericht im Ansatz zu Recht angenommen hat - Surrogat im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB für die entwendeten, an S. veräußerten Teile der Beute. Ansprüche des Verletzten stünden – so das Landgericht – der Anordnung des Verfalls nicht entgegen, weil der Geschädigte die Gegenstände aus der Beute, für deren Veräußerung der Angeklagte die 10.000 EUR erlangt hat, zurückerhalten habe.
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- a) Diese Begründung trägt die Verfallsanordnung des Landgerichts nicht. Zwar hat das Landgericht ersichtlich der Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB Rechnung tragen wollen, die eine Verfallsanordnung ausschließt, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde. Die Begründung im angefochtenen Urteil greift aber zu kurz.
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- aa) Das Landgericht hat bei seiner Verfallsentscheidung zum Einen nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte aus der Diebstahlstat nicht nur diejenigen Gegenstände im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB „erlangt“ hat, die an den Geschädigten zurückgelangt sind, sondern auch weitere Beutegegenstände , über deren Verbleib das Urteil nichts mitteilt, so dass dem Geschädigten noch (weiter gehende) Ansprüche zustehen können, die im Umfang ihres Bestehens gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB einer Verfallsanordnung entgegenstehen. Letzteres gilt auch für den Fall der Anordnung des Verfalls eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB (vgl. BGH NJW 1986, 1186; Fischer StGB 56. Aufl. § 73 Rdn. 27), und zwar dann, wenn – wie hier – der Verletzte zwar insoweit befriedigt ist, ihm darüber hinaus „aus der Tat“ aber noch weiter gehende Ansprüche erwachsen sind. Denn durch § 73 Abs.1 Satz 2 StGB soll nicht nur eine „doppelte“ Inanspruchnahme des Täters vermieden werden (vgl. BGHR StGB § 73 Anspruch 1; Fischer aaO Rdn. 17), sondern auch, dass die Realisierung von Ansprüchen des Verletzten durch die Anordnung des Verfalls gefährdet wird.
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- Das Landgericht durfte bei der Prüfung der einer Verfallsanordnung nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehenden Ansprüche des Verletzten deshalb nicht allein auf die Teile aus der Beute abstellen, für die der Angeklagte H. die für verfallen erklärten 10.000 EUR erlangt und die der Geschädigte wieder zurück erhalten hat. Vielmehr musste es die gesamte von dem Angeklagten (und den Mitangeklagten) bei der Tat erlangte Beute im Wert von 70.000 bis 80.000 Euro in den Blick nehmen. In diesem Umfang stand dem Geschädigten „aus der Tat“ ein Herausgabeanspruch bzw. im Fall seiner Undurch- führbarkeit ein Schadensersatzanspruch zu. Dass der Geschädigte die Beute insgesamt zurück erhalten hat, ist nicht festgestellt. Damit liegt nahe, ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Geschädigte aus dem Diebstahl unbeschadet der an ihn zurück gelangten Teile der Beute, die der Angeklagte H. an S. veräußert hat, noch weiterhin einen Anspruch gegen den Angeklagten (und die Mitangeklagten) zumindest in Höhe des bei dem Angeklagten H. sichergestellten Geldbetrages hat und deshalb die Verfallsanordnung nicht ergehen durfte.
- 9
- bb) Des Weiteren hat das Landgericht nicht bedacht, dass hier über die Anordnung des Verfalls eines Ersatzgegenstandes hinaus die Anordnung von Wertersatzverfall nach § 73 a StGB zu prüfen war. Soweit dessen Anordnung nur deshalb ausscheidet, weil Ansprüche des Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen (vgl. Eser in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 73 a Rdn. 6), musste das Landgericht die durch die am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Neufassung des § 111 i StPO (Gesetz vom 24. Oktober 2006, BGBl. I 2350 ff.) geschaffene Möglichkeit für einen verstärkten Opferschutz durch verbesserte Rückgewinnungshilfe in den Fällen beachten, in denen eine Verfallsanordnung wegen Ansprüchen Verletzter nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ausscheidet (vgl. dazu Senat, Urteil vom 7. Februar 2008 - 4 StR 502/07, NJW 2008, 1093).
- 10
- b) Durch die Anordnung des Verfalls ist der Angeklagte H. auch beschwert. Auch wenn das Verfahren über die Opferanspruchsbescheidung nach Maßgabe des § 111 i Abs. 2 StPO (vgl. dazu Nack in KK StPO 6. Aufl. § 111 i Rdn. 14 f.) nach Ablauf der Dreijahresfrist (§ 111 i Abs. 3 Satz 1 StPO) gemäß Abs. 5 der Vorschrift zum Auffangrechtserwerb des Staates führt, soweit der Verletzte bis dahin nicht aus den sichergestellten Vermögenswerten Befriedi- gung erlangt hat, stellt sich dies gegenwärtig als die für den Angeklagten gegenüber der Verfallsanordnung günstigere Rechtsposition dar. Denn mit der vom Landgericht getroffenen Verfallsanordnung fällt das Eigentum an den sichergestellten 10.000 EUR gemäß § 73 e StGB unmittelbar an den Staat, ohne dass sich der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Angeklagten (und den Mitangeklagten) entsprechend verringert. Demgegenüber besteht bei der Verfahrensweise nach § 111 i Abs. 2 StPO für den Angeklagten (und die Mitangeklagten) jedenfalls die Chance, in Höhe dieses Betrages von der Verbindlichkeit gegenüber dem Geschädigten Befreiung zu erlangen.
- 11
- c) Ob und inwieweit die Voraussetzungen nach § 111 i StPO wegen (noch) bestehender Gegenansprüche des Geschädigten vorliegen, kann der Senat allein auf der Grundlage der Gründe des angefochtenen Urteils nicht abschließend beurteilen. Insoweit ist deshalb eine neue tatrichterliche Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. dazu Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 111 i Rdn. 8 m.w.N.) geboten.
- 12
- Der neue Tatrichter wird danach unter den Voraussetzungen des § 73 a StGB den dem Wert des Erlangten entsprechenden Geldbetrag unter Abzug des Wertes der an den Geschädigten zurückgelangten Beuteteile nach Maßgabe von § 111 i Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO festzustellen haben. Die Höhe des Betrages ist hier lediglich mit Blick auf das Verschlechterungsverbot durch den im angefochtenen Urteil angeordneten Verfall begrenzt. Ob der Geschädigte möglicherweise ganz oder teilweise durch eine Versicherung entschädigt worden ist, bleibt bei der – gegebenenfalls im Wege der Schätzung nach § 73 b StGB zu ermittelnden – Höhe des den Verfall nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB begrenzenden Gegenanspruchs außer Betracht (BGH, Beschl. vom 10. November 2008 – 3 StR 390/08; OLG Düsseldorf NStZ 1986, 222 f.; zust. Fischer aaO § 73 Rdn. 23; Schmidt, Gewinnabschöpfung im Straf- und Bußgeldverfahren , 2006, Rdn. 78).
- 13
- 3. Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer zurück, da die Verfallsanordnung lediglich im Zusammenhang mit der Diebstahlstat steht und deshalb das weitere Verfahren nicht mehr die Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer berührt.
Ernemann Mutzbauer
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat