Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Okt. 2010 - 4 StR 397/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe außer § 177 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB auch die Tatbestandsalternative des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Verwirklichung des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB hat die Strafkammer darin gesehen, dass der Angeklagte durch das Verschließen der Tür seines Zimmers für die - später auch geschlagene und mit einem Messer bedrohte - Nebenklägerin eine Lage geschaffen hatte, in der sie dem Angeklagten schutzlos ausgeliefert war und die dazu beitrug, den sexuellen Handlungen entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin zu überwinden. Das Einschließen des Opfers in einem umschlossenen Raum in der Absicht, es am Verlassen des Raumes zu hindern, um auf diese Weise die Vornahme sexueller Handlungen zu ermöglichen, stellt sich indes als Gewaltanwendung im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB dar (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2002 - 2 StR 153/02, NStZ-RR 2003, 42, 43 m.w.N.; Beschluss vom 23. November 1993 - 1 StR 739/93, BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 10; Fischer StGB 57. Aufl. § 177 Rn. 7). Die durch eine fortdauernde tatbestandsmäßige Gewalteinwirkung erst geschaffene hilflose Lage des Opfers wird als Teil der Gewalt durch die Regelung des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfasst. Die Begehungsalternative des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB gelangt daneben nicht zur Anwendung, weil sie jedenfalls auf der Konkurrenzebene zurücktritt (vgl. SSW/Wolters § 177 Rn. 33). Der Schuldspruch wird durch die unzutreffende rechtliche Würdigung nicht berührt. Der Strafausspruch kann ebenfalls bestehen bleiben. Die Strafkammer hat zwar im Rahmen der Strafzumessung die Verwirklichung der Begehungsvariante des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB zum Nachteil des Angeklagten gewertet. Damit hat sie aber der Sache nach lediglich strafschärfend berücksichtigt , dass der Angeklagte die Nebenklägerin - über die Schläge und die Bedrohung mit dem Messer hinaus - auch in seinem Zimmer einsperrte, um sie zu sexuellen Handlungen zu nötigen. Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter auf eine mildere Freiheitsstrafe erkannt hätte, wenn er das Einsperren der Nebenklägerin zutreffend als weitere Gewalteinwirkung im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB gewürdigt hätte. Ernemann Solin-Stojanović Cierniak Franke Bender
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.