Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Nov. 2013 - 4 StR 352/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und Maßregeln nach den §§ 69, 69a StGB angeordnet. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
- 2
- Nach den Feststellungen fuhr der alkoholisierte Angeklagte, der eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,27 ‰ aufwies, in M. mit seinem Pkw Ford Fiesta bei Dunkelheit auf der vierspurigen Bundesstraße B 91, deren zwei Fahrbahnen im dortigen Bereich von einem mit Leitplanke versehenen Mittelstreifen getrennt werden. An einer nicht näher festgestellten Stelle im Straßenverlauf – möglicherweise an einer der verschiedenen Kreuzungen oder bei einer 1,7 km vom späteren Kollisionsort entfernt gelegenen Tankstelle – gelangte der Angeklagte auf Grund eines alkoholbedingten Fahrfehlers auf die Gegenfahrbahn der Bundesstraße. Als er die Überholspur der Gegenfahrbahn entgegen der Fahrtrichtung mit einer Geschwindigkeit von etwa 74 km/h mit eingeschaltetem Fernlicht befuhr, kam ihm auf derselben Fahrspur der Geschädigte, der mit seinem Pkw Nissan Almera gerade ein anderes Fahrzeug überholt hatte, mit einer Geschwindigkeit von 63 bis 71 km/h entgegen. Beide von ihren Fahrern jeweils noch in Richtung Fahrbahnmitte gelenkten Fahrzeuge stießen ungebremst in der Fahrbahnmitte zusammen. Infolge der Kollision trugen sowohl die drei Insassen des Pkws des Geschädigten als auch der Angeklagte erhebliche Verletzungen davon.
- 3
- Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, weil die Annahme, der Angeklagte sei auf Grund eines alkoholbedingten Fahrfehlers auf die Gegenfahrbahn gelangt, einer tragfähigen Begründung im Rahmen der Beweiswürdigung entbehrt.
- 4
- Ausführungen zu den die Annahme eines alkoholbedingten Fahrfehlers in tatsächlicher Hinsicht tragenden Erwägungen des Landgerichts sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Die Strafkammer hat die Umstände, unter denen der Angeklagte auf die Gegenfahrbahn geriet, nicht näher aufklären können. Die Möglichkeit, dass er sein Fahrzeug bewusst auf die Gegenfahrbahn steuerte, um in Suizidabsicht einen Zusammenstoß herbeizuführen, hat sie „nicht als zweifelsfrei erwiesen“ angesehen, weil die für eine Suizidabsicht zum Tatzeitpunkt sprechenden Indizien für eine entsprechende Feststellung nicht ausgereicht hätten. Damit hat die Strafkammer die Möglichkeit eines Suizidver- suchs des Angeklagten indes nicht sicher ausgeschlossen. Lässt sich aber nicht ausschließen, dass der Angeklagte gezielt auf die Gegenfahrbahn fuhr, ist mit Blick auf den Zweifelssatz für die Annahme eines auf die alkoholische Beeinflussung zurückzuführenden Fahrfehlers als eindeutige Ursache für die spätere Kollision kein Raum.
- 5
- Die Sache bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Sofern in der neuen Hauptverhandlung der zur Kollision führende Geschehensverlauf nicht eindeutig zu klären ist, wird eine Verurteilung auf alternativer Tatsachengrundlage (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 18. August 1983 – 4 StR 142/82, BGHSt 32, 48, 56 f.; Urteil vom 10. Februar 2011 – 4 StR 576/10, NStZ 2011, 460) zu prüfen sein.
Bender Quentin
moreResultsText
Annotations
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.
(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen
- 1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c), - 1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d), - 2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316), - 3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder - 4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.
(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.
(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.
(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.
(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.