Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2001 - 4 StR 33/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr sowie wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg; eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensbeschwerden bedarf es daher nicht.
1. Nach den Feststellungen versuchte der Angeklagte in alkoholisiertem Zustand gemeinsam mit Viktor J. auf der B 213 zur Nachtzeit vorbeifahrende Fahrzeuge anzuhalten, um in Richtung Meppen oder nach Quakenbrück mitgenommen zu werden. Nachdem mehrere Fahrzeuge nicht angehalten hatten, stellte er sich beim Herannahen des von Stefan K. geführten PKW mit einer
Schreckschußpistole etwa in die Mitte der Fahrbahn, um K. zum Anhalten zu veranlassen. Dieser verringerte seine Geschwindigkeit nur etwas und wechselte auf die Gegenfahrbahn, um den Angeklagten nicht anzufahren. Als sich K. mit seinem Pkw etwa auf der Höhe des Angeklagten befand, schoß dieser zweimal mit seiner Schreckschußpistole auf das Fahrzeug. K. setzte jedoch seine Fahrt fort (Fall II. 1 der Urteilsgründe). Wenig später näherte sich Marita H. mit ihrem Pkw dem Angeklagten, der wiederum mitten auf der Fahrbahn stand und seine Schreckschußpistole auf das herankommende Fahrzeug gerichtet hielt. Als sie den Angeklagten erblickte, fuhr sie langsamer und hielt schließlich an. Ihr Beifahrer Norbert W. stieg sodann aus. Nach einer kurzen Auseinandersetzung zwischen dem herbeigeeilten Viktor J. und Norbert W. ging der Angeklagte auf W. z u, hielt ihm die Schreckschußpistole an den Kopf und sagte, sie wollten nach Quakenbrück. W. erklärte hierauf, daß sie in die entgegengesetzte Richtung fahren würden. Daraufhin forderte der Angeklagte von W. die Zahlung von 2000.- DM. Als W. erwiderte, er habe kein Geld, steckte der Angeklagte die Waffe ein. Im Anschluß konnte W. wieder in das Fahrzeug der Marita H. einsteigen, die die Fahrt fortsetzte (Fall II. 2 der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen zu Fall II. 1 der Urteilsgründe rechtlich als (vorsätzlichen) gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB) in Tateinheit mit Nötigung (§ 240 StGB) und zu Fall II. 2 der Urteilsgründe als räuberischen Angriff auf Kraftfahrer (§ 316 a StGB) wiederum in Tateinheit mit (vorsätzlichem) gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB) gewertet. Dies hält insgesamt rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Die Feststellungen tragen weder im Fall II. 1 noch im Fall II. 2 der Urteilsgründe eine Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB.
Die bisherigen Feststellungen belegen schon nicht, daß das Verhalten des Angeklagten jeweils als Hindernisbereiten im Sinne dieser Vorschrift zu bewerten ist. Der Tatbestand setzt nach ständiger Rechtsprechung eine grobe Einwirkung von einigem Gewicht voraus (vgl. BGHSt 41, 231, 237 m.w.N.). Gegen eine solche Erheblichkeit des Eingriffs spricht hier jedoch, daß im Fall II. 1 der Fahrzeuglenker K. ohne Schwierigkeiten dem in der Straßenmitte stehenden Angeklagten ausweichen und im Fall II. 2 die PKW-Fahrerin rechtzeitig – ebenfalls ersichtlich ohne Schwierigkeiten – ihr Fahrzeug vor dem Angeklagten anhalten konnte. Jedenfalls lassen die Feststellungen nicht – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im einzelnen zutreffend ausgeführt hat - erkennen, daß, was Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 315 b Abs. 1 StGB ist, durch das Verhalten des Angeklagten eine konkrete Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder von fremden Sachen von besonderem Wert eingetreten ist. Auch die subjektive Tatseite ist nicht hinreichend dargetan. § 315 b Abs. 1 Nr. 2 wie auch Nr. 3 StGB setzen nämlich voraus , daß der Täter in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff zu “pervertieren”; dabei muß es ihm darauf ankommen, durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen (BGHSt 41, 231, 239). Hierfür geben die Urteilsfeststellungen jedoch keinen Anhalt. Vielmehr spricht gegen eine derartige Absicht, daß der Angeklagte die Fahrzeuge nur anhalten wollte, um anschließend mitgenommen zu werden. Aus den genannten Gründen scheidet auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen im Fall II. 1 auch eine Strafbarkeit nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB aus (zur Abgabe eines
Schusses als “ähnlicher, ebenso gefährlichen Eingriff” vgl. BGHSt 25, 306, 308; 37, 256, 257/258).
b) Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme einer (vollendeten) Nötigung im Fall II. 1, weil der Angeklagten “den Zeugen K. durch seine Stellung auf der Fahrbahn und die vorgehaltene Pistole dazu gezwungen [habe], diesem auszuweichen” (UA 15). Eine Tat i.S.d. § 240 StGB ist im Falle der Erzwingung einer Handlung vollendet, sobald das Opfer unter der Einwirkung des Nötigungsmittels mit der vom Täter geforderten Handlung begonnen hat (h.M.; vgl. Eser in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 240 Rdnr. 13). Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte das Fahrzeug anhalten und damit gerade nicht zum Ausweichen zwingen. Damit kommt lediglich Versuch in Betracht (§§ 240 Abs. 1, 3, 22 StGB).
c) Schließlich kann auch die Verurteilung wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§ 316 a StGB) im Fall II. 2 keinen Bestand haben. Das Landgericht hat nicht ausschließen können, daß der Angeklagte zunächst nur die Absicht hatte, von einem anzuhaltenden Autofahrer mitgenommen zu werden. Es ist daher zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, daß er erst im Rahmen der Auseinandersetzung mitW. spontan den Entschluß faßte, von diesem die Herausgabe von Geld zu fordern (UA 16/17). Faßt der Täter den Entschluß zur Raubtat aber erst, nachdem er den Kraftfahrer aus einem anderen Grund zur Beendigung seiner Fahrt gezwungen und angegriffen hatte, so findet § 316 a StGB für die danach folgende Durchsetzung des räuberischen Vorhabens keine Anwendung, wenn – wie hier – die dem fließenden Straßenverkehr eigentümlichen Gefahren dafür nicht mehr von Bedeutung sind (BGHSt 37, 256). Das Anhalten des Fahrzeugs durch den Angeklagten erfüllt jedoch
den Tatbestand der (vollendeten) Nötigung. Darüber hinaus könnte die unter Verwendung der Schreckschußpistole an W. gerichtete Aufforderung, 2.000.- DM zu zahlen, eine Strafbarkeit wegen versuchter (schwerer) räuberischer Erpressung (§§ 255, 253, 250, 22 StGB) begründen. Da die bisherigen Feststellungen jedoch keine Ausführungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten zu dem Zeitpunkt enthalten, als er seine Schreckschußpistole wieder einsteckte, kann nicht überprüft werden, ob er von diesem Versuch gegebenenfalls nach § 24 Abs. 1 StGB strafbefreiend zurückgetreten ist.
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing Ernemann
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.
(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.