Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2000 - 4 StR 313/00

published on 05/10/2000 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2000 - 4 StR 313/00
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 313/00
vom
5. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Oktober 2000
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 20. Dezember 1999 1. dahin geändert, daß
a) der Angeklagte des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung schuldig ist,
b) die Einstellung wegen des Vorwurfs der Körperverletzung zu Punkt 1. a) der Anklageschrift entfällt, 2. im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
III. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung von Strafen aus zwei früheren Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hinsichtlich des weiteren Vorwurfs der Körperverletzung (Punkt 1. a) der Anklageschrift) hat es das Verfahren wegen Rücknahme des Strafantrages eingestellt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg ; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die vom Landgericht nicht weiter begründete Annahme von Tatmehrheit zwischen dem Raub und den anschließend tateinheitlich begangenen Straftaten der gefährlichen Körperverletzung und der versuchten schweren räuberischen Erpressung hält, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im einzelnen zutreffend ausgeführt hat, rechtlicher Prüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen suchte der Angeklagte gemeinsam mit dem früheren Mitbeschuldigten M. den Frank B. in seiner Wohnung auf, um ihn wegen einer Aussage bei der Polizei ”zur Rede zu stellen”. Nachdem sie B. gemeinsam mit Schlägen und Tritten körperlich mißhandelt und ihm unter Ausnutzung fortwirkender Gewalt einen Walkman weggenommen hatten, ließen sie ”zunächst” von ihm ab. B. suchte daraufhin die Toilette auf. Als er in den Wohnbereich zurückkehrte, kam es unmittelbar danach zu weiteren körperlichen Übergriffen sowie zu dem Tatgeschehen, das die Strafkammer rechtsfehlerfrei als versuchte schwere räuberische Erpressung gewertet hat.
Angesichts des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs zwischen den beiden Handlungsabschnitten und des diese verbindenden gemeinsamen subjektiven Elements, den Geschädigten ”zur Rede zu stellen”, stellt sich das Verhalten des Angeklagten insgesamt als eine natürliche Handlungseinheit und damit als eine Handlung im Rechtssinne dar (vgl. BGHSt 41, 368; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. vor § 52 Rdnr. 2). Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da ausgeschlossen werden kann, daß der Angeklagte sich wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
2. Keinen Bestand kann ferner die Einstellung des Verfahrens wegen des Vorwurfs der Körperverletzung haben. Dies folgt bereits daraus, daß – wovon auch Anklage und Eröffnungsbeschluß ausgehen – zwischen der Körperverletzung und dem anschließend verübten Raub Tateinheit besteht, mithin für eine gesonderte förmliche Einstellung kein Raum ist (vgl. BGHSt 7, 305; Kleinknecht /Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. Einl. Rdnr. 154). Hinzu kommt, daß nach den getroffenen Feststellungen das Verhalten des Angeklagten schon in diesem Handlungsabschnitt den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung in Form der gemeinschaftlichen Begehung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) erfüllt (vgl. hierzu Tröndle/Fischer a.a.O. § 224 Rdnr. 11), für dessen Ahndung ein Strafantrag nach § 230 Abs. 1 StGB nicht erforderlich ist. Wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhanges zwischen den einzelnen Körperverletzungshandlungen liegt jedoch nur eine Tat nach § 224 StGB vor (vgl. Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. vor § 52 Rdnr. 17).
3. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Bei der Strafzumessung wird der neue Tatrichter zu beachten ha-
ben, daß das Verschlechterungsverbot der Erhöhung der bisherigen Einsatzstrafe von drei Jahren Freiheitsstrafe nicht entgegensteht (BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 3 und 4). Allerdings darf weder die nunmehr festzusetzende Einzelstrafe die Summe der beiden früheren Einzelstrafen übersteigen noch die unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Demmin vom 1. Oktober 1998 und vom 28. April 1999 gemäß § 55 StGB neu zu bildende Gesamtstrafe höher ausfallen als bisher.
Maatz Kuckein Athing
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel
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published on 14/02/2012 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 392/11 vom 14. Februar 2012 in der Strafsache gegen wegen Raubes u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 1. b) und 2. auf dessen Antr
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über.

(2) Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.