Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2008 - 4 StR 298/08

published on 10/07/2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2008 - 4 StR 298/08
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 298/08
vom
10. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Juli 2008 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 12. März 2008
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Raubes schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen waren der Angeklagte und sein unbekannt gebliebener Mittäter übereingekommen, den Zeugen K. auf dessen nächtlichen Heimweg zu überfallen, um sich für eine vorausgegangene Auseinandersetzung zu rächen. In einer Parkanlage versperrte der Angeklagte dem Zeugen den Weg. Zugleich trat der Mittäter von hinten an den Zeugen heran und hielt ihm einen Gegenstand an den Hals. Weil der stark alkoholisierte Zeuge glaubte, es handele sich um ein Messer, leistete er keinen Widerstand und hob die Hände. Spätestens jetzt fasste der Angeklagte den Entschluss, den Zeugen unter Ausnutzung der Bedrohungssituation zu berauben , und nahm unter anderem dessen Handy sowie mehrere Flaschen Alkoholika in Zueignungsabsicht an sich.
3
Das Landgericht hat die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB als erfüllt angesehen und dies damit begründet, dass der Angeklagte "die durch den Einsatz eines sonstigen Mittels im Sinne dieser Vorschrift geschaffene und als aktuelle Drohung erneuter Gewaltanwendung weiterwirkende Zwangslage" [UA 11] des Zeugen bewusst ausgenutzt habe.
4
2. Die rechtliche Bewertung der Tat als schwerer Raub nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
5
Das Landgericht hat zu der näheren Beschaffenheit des Gegenstandes, der dem Zeugen an den Hals gesetzt wurde, keine Feststellungen treffen können. Zu Gunsten des Angeklagten ist deswegen davon auszugehen, dass es sich um einen Gegenstand handelte, der aus der Sicht eines objektiven Betrachters nach seinem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich war. Derartige Gegenstände stellen, wie der Senat in seinem Urteil vom 18. Januar 2007 - 4 StR 394/06 (= NStZ 2007, 332 f.) entschieden hat, kein taugliches Werkzeug oder Mittel im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB dar, denn bei Verwendung eines objektiv ersichtlich ungefährlichen Gegenstandes , den das Opfer nicht oder nur unzureichend sinnlich wahrnehmen kann (und soll), wird die Zwangswirkung beim Opfer zwar mittels dieses Gegenstandes , maßgeblich jedoch durch Täuschung hervorgerufen (vgl. auch Fischer StGB 55. Aufl. § 250 Rdn. 11 ff.).
6
3. Der Senat schließt aus, dass sich in einer erneuten Hauptverhandlung Feststellungen zu der näheren Beschaffenheit des eingesetzten Gegenstandes treffen lassen. Er ändert deswegen den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Mutzbauer
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 18/01/2007 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 StR 394/06 vom 18. Januar 2007 in der Strafsache gegen wegen schweren Raubes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Januar 2007, an der teilgenommen haben: Vorsitzen
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.