Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2019 - 4 StR 273/19

published on 31/07/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Juli 2019 - 4 StR 273/19
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 273/19
vom
31. Juli 2019
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:310719B4STR273.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 31. Juli 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 20. Dezember 2018 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II.1. bis 32. der Urteilsgründe verurteilt worden ist, sowie
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung, Vergewaltigung und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 32 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Vorwegvoll- zug von einem Jahr und sechs Monaten der Gesamtstrafe angeordnet. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit der nicht näher ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Nach den zu den Betäubungsmittelstraftaten getroffenen Feststellungen verkaufte der Angeklagte in 15 Fällen an bestimmten Tagen in der Zeit vom 13. bis zum 22. Oktober 2017 Marihuana zu einem Grammpreis von 12 Euro jeweils in Mengen für 10 bis 140 Euro an sechs verschiedene Abnehmer, wobei die Verkäufe zum Teil am selben Tag oder an aufeinanderfolgenden Tagen abgewickelt wurden. Am 23. Oktober 2017 hielt der Angeklagte in seiner damaligen Wohnung zum Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung 36,09 Gramm Marihuana bereit, die im Rahmen einer polizeilichen Durchsuchung aufgefunden wurden. Schließlich veräußerte er an nicht näher festgestellten Tagen im Zeitraum vom 15. September 2017 bis „31. November 2017“ zehnmal Marihuana für 10 Euro und in sechs Fällen Marihuana in Mengen für 20 Euro an einen weiteren Abnehmer.

II.


3
Die Verurteilung des Angeklagten wegen selbständiger, real konkurrierender Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in den Fällen II.1. bis 32. der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil auf der Grundlage der bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen eine abschließende Beurteilung des materiell-rechtlichen Konkurrenzverhältnisses nicht möglich ist.
4
Das Landgericht hat sich mit der Frage, ob das vom Angeklagten in den festgestellten Kleinmengen abgesetzte Marihuana ganz oder teilweise aus einer zuvor zum Zweck der gewinnbringenden Veräußerung bezogenen größeren Lieferung stammte, nicht befasst und insoweit keine Feststellungen getroffen. Hierzu hätte aber Anlass bestanden, da der Angeklagte nach den Feststellungen zu Tat II.32. der Urteilsgründe am 23. Oktober 2017 mit den sichergestellten 36,09 Gramm Marihuana einen die einzelnen Verkaufsmengen deutlich übersteigenden Verkaufsvorrat aufbewahrte und damit konkrete Anhaltspunkte für einen die abgesetzten Kleinmengen übersteigenden Bezug von Marihuana durch den Angeklagten gegeben sind. Mangels entsprechender, vom Tatrichter zu treffender Feststellungen bleibt es daher offen, ob und in welchem Umfang die einzelnen Absatzgeschäfte materiell-rechtlich als Teilakte einer oder mehrerer auf einen einheitlichen Güterumsatz bezogener Bewertungseinheiten (vgl. Weber, BtMG, 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 593 ff.) anzusehen sind.
5
Die Aufhebung der Verurteilung in den Fällen II.1. bis 32. der Urteilsgründe entzieht dem Gesamtstrafenausspruch und der allein auf die Betäubungsmitteldelikte als Anlasstaten gestützten Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB die Grundlage.
6
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
7
Sollte der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter bislang als selbständige Taten abgeurteilte Absatzgeschäfte als Teilakte einer materiell-rechtlichen Bewertungseinheit bewerten, steht das sowohl bei den Einzelstrafen als auch bei der Gesamtstrafe zu beachtende Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO der Verhängung einer die betreffenden Einzelstrafen aus dem angefochtenen Urteil übersteigenden Einzelstrafe, welche die Summe der bisherigen Einzelstrafen nicht überschreiten und zu keiner Erhöhung der Gesamtstrafe führen darf, nicht entgegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. August 2013 – 4 StR 288/13,StraFo 2014, 28, 29; vom 19. November 2002 – 1 StR 313/02, BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12; vgl. Paul in KK-StPO, 8. Aufl., § 331 Rn. 2a mwN).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.