Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juli 2006 - 4 StR 199/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in fünf Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem rechtskräftigen früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer weiteren Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das - nach antragsgemäßer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionsbegründungsfrist - zulässige Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit ihn das Landgericht in den Fällen II. 1 bis 5 der Urteilsgründe wegen Diebstahls in fünf Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus der früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt hat.
- 3
- 2. Dagegen hält die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung (Fall II. 6 der Urteilsgründe) der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht die Frage strafbefreienden Rücktritts vom Versuch (§ 24 Abs. 1 StGB) nicht geprüft hat.
- 4
- Nach den Feststellungen verfolgte der Angeklagte am Tattag gegen 10.40 Uhr auf dem Borlinghauser Weg in Paderborn die gehbehinderte, 84jährige Geschädigte. Er hatte beobachtet, wie sie kurz zuvor von der Spar- kasse einen Bargeldbetrag in Höhe von 700 Euro geholt hatte. Als er sie erreicht hatte, verlangte er die Herausgabe des Geldes, wobei er ein ausgeklapptes Taschenmesser in Richtung ihrer Schulter hielt. Als die Geschädigte laut um Hilfe schrie, flüchtete der Angeklagte.
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- Bei dieser Sachlage hätte sich das Landgericht mit der Frage strafbefreienden Rücktritts vom unbeendeten Versuch auseinandersetzen müssen. Das wäre nur dann entbehrlich, wenn die Feststellungen ohne weiteres belegten, dass der Angeklagte die weitere Tatausführung jedenfalls nicht freiwillig aufgegeben hat. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt nicht hinreichend sicher, dass es dem der hoch betagten und gehbehinderten Geschädigten nahe liegend körperlich überlegenen Angeklagten nicht möglich gewesen sein sollte, sein Ziel trotz ihrer Hilfeschreie durch eine Verstärkung seiner Einwirkung auf das Opfer doch noch zu erreichen, etwa indem er ihr das Geld entriss. Entscheidend für die Frage der Freiwilligkeit ist dabei, ob aus Sicht des Angeklagten für ihn ein zwingendes Hindernis vorlag, die Tat zu vollenden, oder ob er ihre Durchführung noch für möglich hielt (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 16 bis 18). Dazu verhält sich das Urteil nicht. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte befürchtete, dass durch die Hilfeschreie der Geschädigten Zeugen auf die Tat aufmerksam würden und er deshalb flüchtete, weil er seine alsbaldige Entdeckung und Ergreifung befürchtete (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 1996 - 2 StR 187/96). Dazu hätte es aber näherer Feststellungen zu der Situation am Tatort bedurft, insbesondere zu der Frage, ob Personen in der Nähe waren, die für den Angeklagten ein solches erhöhtes Entdeckungsrisiko darstellen konnten.
- 6
- Über den Tatvorwurf im Fall II. 6 der Urteilsgründe ist deshalb insgesamt neu zu verhandeln und zu entscheiden.
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- 4. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Kostenausspruch des angefochtenen Urteils ist durch die teilweise Urteilsaufhebung gegenstandslos (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 4 StR 126/92).
Ernemann Sost-Scheible
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.
(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.