Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Mai 2011 - 4 StR 198/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 59.315 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat lediglich insoweit Erfolg, als sie sich gegen die angeordnete Maßnahme wendet ; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes gemäß § 73a Satz 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
- 3
- a) Die Feststellungen belegen schon nicht, dass der Angeklagte durch den Verkauf des aus den Niederlanden eingeführten Marihuanas Erlöse in Höhe von 59.315 € erzielt hat.
- 4
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert aus der Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB (hier i.V.m. § 73a Satz 1 StGB), wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen ist (BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246, und vom 29. Juni 2010 - 1 StR 245/09), er an ihm also unmittelbar aus der Tat (tatsächliche, aber nicht notwendig rechtliche) Verfügungsmacht gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt hat (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, BGHSt 51, 65, 68, Beschluss vom 21. Oktober 2008 - 4 StR 437/08, NStZ 2010, 85, Urteil vom 4. Februar 2009 - 2 StR 504/08, JZ 2009, 1124 mit Anmerkung Rönnau m.w.N.). Bei mehreren Tätern oder Teilnehmern genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, NJW 2011, 624, 625, auch zur gesamtschuldnerischen Haftung, m.w.N.). Unerheblich ist dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat, ob also der aus der Tat zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse gemindert wurde (BGH, aaO).
- 5
- Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der frühere Mitangeklagte N. den auf ihn entfallenden Anteil an den Drogen auf eigene Rechnung; es ist daher nicht ersichtlich, inwieweit der Angeklagte an den von N. erzielten Erlösen Mitverfügungsgewalt erlangt haben könnte. Ob den Feststellungen noch hinreichend entnommen werden kann, dass jedenfalls die von dem Angeklagten und dem gesondert verfolgten K. erzielten Erlöse insgesamt auch in die (Mit-)Verfügungsgewalt des Angeklagten gelangt sind, kann dahinstehen; aus dem Urteil ergibt sich schon nicht hinreichend genau, welcher Anteil an den eingeführten Drogen von N. (höchstens) übernommen worden ist.
- 6
- b) Das Landgericht hat nicht geprüft, ob gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von der Anordnung des Wertersatzverfalls zumindest teilweise abgesehen werden kann und zwar, soweit der Wert des Erlangten im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10. Oktober 2002 - 4 StR 233/02, BGHSt 48, 40 f., Beschluss vom 3. Februar 2011 - 4 StR 586/10 m.N. und zum Verhältnis der Sätze 1 und 2 des § 73c Abs. 1 StGB zueinander BGH, Urteil vom 26. März 2009 - 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86). Die Strafkammer hat lediglich erwogen, ob die Anordnung des Wertersatzverfalls eine unbillige Härte im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB wäre; dies hat sie mit dem Hinweis, dass das Übermaßverbot nicht verletzt sei, rechtsfehlerfrei verneint. Anders als der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vermag der Senat auch dem Gesamtzusammenhang dieser Ausführungen nicht zu entnehmen, dass das Landgericht auch eine Entreicherung im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB bejaht und darauf gestützt eine Ermessensentscheidung getroffen hat. Hierfür ergeben die Urteilsgründe keinen Anhalt.
- 7
- 2. Für den Fall, dass sich der Angeklagte in der erneuten tatrichterlichen Hauptverhandlung nicht zum Verbleib des Erlösten äußern oder dieser sonst unklar bleiben sollte, verweist der Senat auf die Ausführungen des 1. Strafsenats in seinem Beschluss vom 17. Juni 2004 (1 StR 24/04, NStZ 2005, 232). Ernemann Cierniak Franke Mutzbauer Quentin
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.
(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.
(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat
(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.
(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.
Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.