Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Mai 2010 - 4 StR 136/10

published on 11/05/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Mai 2010 - 4 StR 136/10
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 136/10
vom
11. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 11. Mai 2010 gemäß §§ 154
Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit es den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall 104 der Urteilsgründe betrifft. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 10. Dezember 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 109 Fällen und wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in 88 Fällen verurteilt ist;
b) in der Urteilsformel dahin ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird und dass die Staatskasse insoweit die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt;
c) mit den Feststellungen aufgehoben in den Aussprüchen über aa) die in den Fällen 1 bis 72, 81 bis 103 und 193 bis 198 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen , bb) die Gesamtstrafen, cc) die Einziehung der "sichergestellten Betäubungsmittel". 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die übrigen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 88 Fällen und wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in 88 Fällen unter Einbeziehung "der Geldstrafe" aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 10. Juni 2008 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es ihn wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, die Einziehung der am 3. September 2008 und am 11. Mai 2009 sichergestellten Betäubungsmittel sowie den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 5.900 Euro angeordnet.
2
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein, soweit dem Angeklagten im Fall 104 der Urteilsgründe unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zur Last gelegt worden ist, und ändert den Schuldspruch entsprechend.
4
2. Soweit das Landgericht den Freispruch aus tatsächlichen Gründen von dem Vorwurf zweier weiterer Einzeltaten zwar "in der mündlichen Urteilsbegründung erörtert, jedoch verabsäumt" hat, diese Entscheidung in die Urteilsformel aufzunehmen (UA 41), kann der Senat den Teilfreispruch gemäß § 354 Abs. 1 StPO nachholen und die Urteilsformel entsprechend ergänzen.
5
3. Die Aussprüche über die in den Fällen 1 bis 72, 81 bis 103 und 193 bis 198 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen haben keinen Bestand. Insoweit begegnen die ihnen zu Grunde liegenden Strafzumessungserwägungen aus folgenden Gründen durchgreifenden rechtlichen Bedenken:
6
Das Landgericht hat in den vorgenannten Fällen strafschärfend berücksichtigt , dass der Angeklagte "nicht nur Geld sondern auch Hehlerware entgegengenommen" habe. Letzteres ist aber durch die bisherigen Feststellungen nicht belegt. Gleiches gilt für den strafschärfend berücksichtigten Entschluss des Angeklagten, "für einen langfristigen Zeitraum von fast zwei Jahren Drogen an Abhängige zu verkaufen". Soweit das Landgericht strafschärfend gewertet hat, dass sich der Angeklagte "von weiteren Straftaten auch nicht durch die polizeiliche Kontrolle" am 3. September 2008 hat abhalten lassen, hat es übersehen , dass der Angeklagte mit Ausnahme der Fälle 79 bis 82 und 198 der Urteilsgründe alle übrigen Taten vor dieser polizeilichen Kontrolle beging.
7
4. Die danach gebotene Aufhebung der vorgenannten Einzelstrafen sowie der Wegfall der im Fall 104 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe nötigen zur Aufhebung auch der beiden Gesamtfreiheitsstrafen. Die Ausführungen zur Bemessung der beiden Gesamtfreiheitsstrafen begegnen im Übrigen auch deshalb Bedenken, weil sich den Urteilsausführungen nicht entnehmen lässt, ob das Landgericht die Möglichkeit eines zu hohen Gesamtstrafübels bedacht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2008 - 4 StR 118/08, NStZ-RR 2008, 234). Der neue Tatrichter wird zu der Zäsur bildenden Vorverurteilung Feststellungen nicht nur zu der verhängten Gesamtgeldstrafe, sondern auch zu den ihr zu Grunde liegenden Einzelgeldstrafen zu treffen haben.
8
5. Der Senat hebt auch den Ausspruch über die Einziehung der "sichergestellten Betäubungsmittel" auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben , die einzuziehenden Gegenstände in der gebotenen Weise genau zu bezeichnen (vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 74 Rdn. 21 m.N.).
9
6. Die Einstellung des Vorwurfs des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall 104 der Urteilsgründe lässt die Verfallsanordnung unberührt , weil das Landgericht den Wert des durch diese Tat Erlangten bei der Festsetzung des für verfallen zu erklärenden Geldbetrages nicht berücksichtigt hat. Der Ausspruch über den Verfall hält trotz der, was den rechtlichen Ansatz angeht, widersprüchlichen Ausführungen im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand, denn dem Gesamtzusammenhang der Urteilsausführungen lässt sich entnehmen, dass die Anordnung des Verfalls eines Geldbetrages in Höhe von 5.900 Euro gemäß § 73 a StGB gerechtfertigt ist (zum Verhältnis zwischen § 73 StGB [Verfall] und § 73 a StGB [Verfall des Wertersatzes] und § 73 d StGB [erweiterter Verfall] vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2008 - 4 StR 386/08, BGHR StGB § 73 a Anwendungsbereich 2 m.N.).
Athing Solin-Stojanović Ernemann
Cierniak Mutzbauer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.