Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2018 - 4 StR 103/18

published on 27/06/2018 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2018 - 4 StR 103/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 103/18
vom
27. Juni 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2018:270618B4STR103.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. Juni 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 24. November 2017 im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weiter gehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und dessen Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt mit der allgemeinen Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die durch die Strafkammer angestellten Strafzumessungserwägungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen einem Angeklagten Anlass und Modalitäten der Tat nur dann ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar sind, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung zu finden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Oktober 2002 – 5 StR 365/02, NStZ-RR 2003, 104, 105; vom 31. Januar 2012 – 3 StR 453/11, NStZ-RR 2012, 169; vom 12. März 2014 – 5 StR 69/14, NStZ-RR 2014, 140 mwN).
3
Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat bei der Strafrahmenwahl einen minder schweren Fall nach § 213 StGB „auch unter Berücksichtigung der verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten“ wegen der konkreten Tatausführung mit wechselnden Tatmitteln, „die in dem von einer keinenWiderspruch tolerierenden Konsequenz gekenn- zeichneten Stich in den Kopf mit der Mistgabel gipfelten“, und wegen des nich- tigen Tatanlasses verneint. Bei der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer diese Strafzumessungsgesichtspunkte erneut bedacht. Indessen hat der an einem Asperger-Syndrom, einer Variante der autistischen Störung, leidende Angeklagte die Tat nach den Feststellungen nach einem massiven Affektstau aus scheinbar nichtigem Anlass in einem seine Steuerungsfähigkeit erheblich einschränkenden Affektdurchbruch mit einem hieraus resultierenden massiven Gewaltausbruch und einem exzessiven Gewaltverhalten im Sinne des „over-kills“ begangen (UA S. 16). Hiermit setzen sich die Urteilsgründe nicht auseinander, obgleich die genannten Umstände Ausfluss des beim Angeklagten bestehenden und zur Unterbringung nach § 63 StGB führenden gravierenden Defektzustandes waren. Trotz der Erwähnung erheblich verminderter Schuldfähigkeit bei der Strafrahmenwahl kann der Senat letztlich nicht ausschließen , dass das Landgericht dies bei der strafschärfenden Berücksichtigung der angeführten Strafzumessungstatsachen aus den Augen verloren hat.
4
Der Strafausspruch bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung. Die der Strafzumessung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen werden von dem Wertungsfehler nicht berührt und können daher bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen bleiben zulässig, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.