Bundesgerichtshof Beschluss, 06. März 2008 - 3 StR 9/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) in den Fällen II. 3. und 4. der Urteilsgründe
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe jeweils mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat festgestellt, dass der Angeklagte im November oder Dezember 2003 einmal 100 Gramm und einmal 50 Gramm Kokain durchschnittlicher Qualität gewinnbringend an den Zeugen D. veräußerte. Nach diesen Taten schlossen sich der Angeklagte, der Mitangeklagte Ö. , der Zeuge S. und der gesondert Verfolgte A. zusammen, um künftig auf unbestimmte Zeit in einer Mehrzahl von Fällen größere Mengen Kokain zu erwerben und gewinnbringend zu veräußern. Im Februar 2004 verkauften sie in zwei Fällen jeweils 500 Gramm Kokain, das ihnen zuvor aus den Niederlanden nach H. geliefert worden war, mit Gewinn an verschiedene Abnehmer weiter. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten in den letzten beiden Fällen im Wesentlichen aufgrund der Aussage des Zeugen S. sowie der Einlassung des Mitangeklagten Ö. überzeugt.
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- Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit einer - zulässig erhobenen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) - Verfahrensrüge hinsichtlich der Verurteilung in den Fällen des Bandenhandels Erfolg. Dies führt auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- Der Angeklagte beanstandet zutreffend, dass das Landgericht einen Beweisantrag rechtsfehlerhaft zurückgewiesen hat.
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- Der Verteidiger des Angeklagten hat die Vernehmung des Zeugen B. zum Beweis dafür beantragt, dass die Angaben des Mitangeklagten Ö. aus einer polizeilichen Vernehmung falsch seien, soweit er sich dahin eingelassen habe, der Angeklagte und der Zeuge hätten in einem Hinterzimmer der Gaststätte "M. " in H. 200 Gramm Kokain an einen Bo. und einen C. verkauft; der Zeuge werde bekunden, dass er zu keinem Zeitpunkt in der betreffenden Gaststätte gewesen sei, um dort Kokain zu verkaufen.
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- Diesen Antrag hat das Landgericht mit der Begründung zurückgewiesen, die behaupteten Tatsachen seien gemäß § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung. Wenn der Zeuge die Beweisbehauptung bestätigen sollte, sei dies zwar ein bei der Würdigung der Einlassung des Mitangeklagten Ö. zu berücksichtigender Teilaspekt; dieser lasse aber keinen zwingenden Rückschluss auf dessen Glaubwürdigkeit zu. Die Strafkammer wolle einen solchen Schluss auch nicht ziehen. Insofern sei nämlich auch die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, dass der benannte Zeuge ein Interesse daran haben könnte, eigenes strafrechtlich relevantes Verhalten zu leugnen. Gegen ihn werde wegen einer dem Beweisthema spiegelbildlichen Tat ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt. Vor diesem Hintergrund habe das Landgericht nicht einmal die Möglichkeit einer abschließenden Bewertung , ob gegebenenfalls der Zeuge oder der Mitangeklagte Ö. bezüglich des Beweisthemas die Wahrheit gesagt hätten.
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- Mit dieser Begründung durfte der Beweisantrag nicht abgelehnt werden; sie ist mit § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht vereinbar.
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- Der Tatrichter darf eine Tatsache nur dann als bedeutungslos ansehen, wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen kann, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulässt, und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will. Dies ist vom Tatrichter in freier Beweiswürdigung auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses zu beurteilen. Allerdings darf das Gericht dabei die unter Beweis gestellte Tatsache nicht in Zweifel ziehen oder Abstriche an ihr vornehmen; es hat diese vielmehr so, als sei sie voll erwiesen, seiner antizipierenden Würdigung zu Grunde zu legen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 20, 23; MeyerGoßner , StPO 50. Aufl. § 244 Rdn. 56; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 244 Rdn. 222).
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- Hieran gemessen sind die Ausführungen des Landgerichts rechtsfehlerhaft ; denn es hat zur Begründung dafür, dass der Beweistatsache für die Entscheidung keine Bedeutung zukomme, darauf abgestellt, dass die Glaubwürdigkeit des benannten Zeugen bzw. die Glaubhaftigkeit seiner Aussage zweifelhaft sei. Damit hat es die Wahrheit der Beweistatsache und den Wert des angebotenen Beweismittels in Frage gestellt.
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- Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil, soweit der Angeklagte wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen verurteilt worden ist. Der Senat vermag nicht auszuschließen , dass das Landgericht, hätte sich die Beweisbehauptung bestätigt, die Glaubhaftigkeit der Einlassung des Mitangeklagten Ö. anders als geschehen beurteilt hätte und nicht zu der Überzeugung gelangt wäre, dass der Angeklagte diese beiden Taten begangen hat.
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- Der Wegfall der Verurteilung in den beiden Fällen des Bandenhandels führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.