Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Mai 2010 - 3 StR 62/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen ihn den Verfall von 31.000 € angeordnet und ausgesprochen, dass "auf diesen Betrag … die am 19.03.2009 sichergestellten und durch Anordnung der Staatsanwaltschaft vom 22.06.2009 gepfändeten 8.920 € sowie der Erlös aus der Verwertung des sichergestellten Pkw VW Fox … anzurechnen" sind. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, die er auf mehrere Verfahrensrügen und die allgemeine Sachrüge stützt. Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge zum Ausspruch über den Verfall Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Zu der Verfahrensrüge, es habe bei dem Urteil ein Richter mitgewirkt, dessen Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit mit Unrecht verworfen worden ist (§ 338 Nr. 3 StPO), weist der Senat ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts hinsichtlich der Beanstandung, die Anklageschrift sei von dem abgelehnten Vorsitzenden der Strafkammer deshalb nicht wirksam an den Wahlverteidiger zugestellt worden, weil sich dessen schriftliche Vollmacht zu diesem Zeitpunkt nicht bei den Akten befunden hatte, auf seinen Beschluss vom 15. Januar 2008 - 3 StR 450/07 - hin.
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- 2. Der Ausspruch des Landgerichts über die Anordnung des Verfalls hat keinen Bestand. Die Strafkammer hat im Fall II. 1. der Urteilsgründe zu Unrecht das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen angenommen und ferner eine Anrechnung auf den Verfallsbetrag angeordnet, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt.
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- Das Landgericht hat den ausgesprochenen Verfallsbetrag im Wesentlichen - und insoweit rechtsfehlerfrei - unter Anwendung des Bruttoprinzips aus den festgestellten, vom Angeklagten in den Fällen II. 2. bis 5. der Urteilsgründe vereinnahmten Verkaufserlösen errechnet (insgesamt 29.165 €). Im Fall II. 1. der Urteilsgründe hat es demgegenüber den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von (weiteren) 2.000 € damit begründet, dass der an diesem Drogengeschäft beteiligte Mitangeklagte K. einen solchen Geldbetrag aus seinem Vermögen für den Angeklagten und in dessen Auftrag an einen Unbekannten in Albanien gezahlt hat. Dadurch sei der Angeklagte in dieser Höhe "von dem Zahlungsverlangen des Verkäufers frei" geworden und habe "den Betrag somit erhalten". Dies kann die Anordnung von Wertersatzverfall in dieser Höhe nicht rechtfertigen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/3qnp/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR106810981BJNE001302305&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/3qnp/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR106810981BJNE004508360&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/3qnp/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE042602377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -
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- Die Anordnung von Verfall nach § 73 Abs. 1, § 73 a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der an einer rechtswidrigen Tat (als Täter oder Teilnehmer) Beteiligte für die Tat oder aus dieser etwas erlangt hat. Der Begriff "etwas" umfasst die Gesamtheit des materiell Erlangten (sog. Bruttoprinzip). Aus der Tat sind alle Vermögenswerte erlangt, die dem Tatbeteiligten unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes zufließen (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 73 Rdn. 7 ff.). Daran gemessen ist das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen , dass der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe 2.000 € im Sinne der Verfallsvorschriften erlangt hat. Da weder der Angeklagte oder sein Tatgenosse noch der Lieferant über die entsprechenden Erlaubnisse verfügten, verstieß das Drogengeschäft gegen ein gesetzliches Verbot (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG), die daran Beteiligten machten sich strafbar (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG). Der Kaufvertrag war daher nichtig (§ 134 BGB; vgl. Weber, BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 15 m. w. N.). Somit hatte der Drogenlieferant durch Abschluss des Betäubungsmittelgeschäfts weder einen Kaufpreisanspruch (§ 433 Abs. 2 BGB) über 2.000 € noch andere zivilrechtliche Ansprüche in dieser Höhe erworben, von denen der Angeklagte durch die festgestellte Zahlung hätte frei werden können. Im Übrigen hätte der Angeklagte durch die Zahlung des Tatbeteiligten an den Drogenlieferanten, deren rechtlichen und tatsächlichen Hintergrund das Landgericht nicht festgestellt hat, selbst bei zivilrechtlicher Wirksamkeit des Geschäfts nach den getroffenen Feststellungen die 2.000 € nicht unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erlangt.
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- Ferner ist die Verfallsanordnung auch insoweit rechtsfehlerhaft, als das Landgericht ausgesprochen hat, dass auf den Verfallsbetrag 8.920 € Bargeld sowie der Erlös aus der Verwertung des sichergestellten Pkw anzurechnen seien. Die Anordnung einer solchen Anrechnung ist rechtlich nicht möglich. Wie sich aus den Urteilsgründen eindeutig ergibt, hat das Landgericht vom Verfall dieser Vermögensbestandteile nach der Härtevorschrift des § 73 c Abs. 1 StGB aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abgesehen. Dies hat indes nicht die Anordnung einer Anrechnung zur Folge; vielmehr hätte das Landgericht diese Werte von dem nach dem Bruttoprinzip Erlangten in Abzug bringen und den Verfall des danach verbleibenden Betrages anordnen müssen. Allerdings leidet die Verfallsanordnung insoweit zusätzlich unter dem rechtlichen Mangel, dass der sich aus einer Verwertung des Pkw ergebende Erlös nicht feststeht.
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- Wegen dieser Rechtsfehler bedarf die Anordnung des Verfalls neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat weist den neuen Tatrichter darauf hin, dass die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne von § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht kommt (vgl. BGH NStZ 2010, 86; Fischer aaO § 73 c Rdn. 3). Becker Pfister Sost-Scheible RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Hubert Becker
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,
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wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn - a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder - b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und - aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind, - bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder - cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
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wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war; - 3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist; - 4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; - 5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat; - 6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind; - 8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
(1) Einer Erlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte bedarf, wer
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Betäubungsmittel anbauen, herstellen, mit ihnen Handel treiben, sie, ohne mit ihnen Handel zu treiben, einführen, ausführen, abgeben, veräußern, sonst in den Verkehr bringen, erwerben oder - 2.
ausgenommene Zubereitungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) herstellen
(2) Eine Erlaubnis für die in Anlage I bezeichneten Betäubungsmittel kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
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Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
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in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.