Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Feb. 2008 - 3 StR 481/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts machte sich der Angeklagte die Reisepläne einer Bekannten, der gesondert Verfolgten W. , für einen Betäubungsmitteltransport zu Nutze. Er flog mit ihr gemeinsam auf eine Insel der Niederländischen Antillen und versteckte unmittelbar vor dem Rückflug nach Düsseldorf im Koffer der ahnungslosen Frau ein Päckchen mit knapp 2 Kilogramm Kokain. Diese wurde bei der Einreise routinemäßig kontrolliert und nach Entdeckung des Rauschgifts festgenommen, während der Angeklagte unbehelligt den Flughafen verlassen konnte und nach Holland weiterreiste. Trotz der Beteuerung ihrer Unschuld wurde Frau W. vom Landgericht Düsseldorf am 13. Dezember 2005 als Betäubungsmittelkurierin zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
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- Der Angeklagte hat den Tatvorwurf bestritten und sich u. a. dahin eingelassen , Frau W. habe das Paket, in dem später das Rauschgift gefunden worden sei, von einem anderen Mann übergeben bekommen und ihm, dem Angeklagten, mitgeteilt, es handele sich um ein Geschenk. Das Landgericht ist demgegenüber der Darstellung der als Zeugin gehörten W. gefolgt. Seine Überzeugung, dass der Angeklagte das Kokain durch eine ahnungslose Frau transportieren ließ, hat es zuletzt auch dadurch bestätigt gefunden , dass der Angeklagte wegen Betäubungsmitteldelikten bereits mehrfach vorbestraft war und nach der abgeurteilten Tat bei der Einfuhr von Kokain aus Südamerika nach Belgien betroffen und deshalb zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt worden war; hingegen wäre der zu Depressionen neigenden Zeugin W. nicht die für eine Kurierin erforderliche Nervenkraft zuzutrauen.
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- 2. Vor diesem Hintergrund rügt die Revision zu Recht, dass sich das Landgericht nicht mit dem Inhalt des gegen die Zeugin ergangenen Urteils auseinandergesetzt hat.
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- a) Die Rüge ist zulässig erhoben. Zwar wird mit ihr einleitend die "Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO" geltend gemacht, im Anschluss jedoch ausschließlich beanstandet, dass das Landgericht das in der Hauptverhandlung verlesene Urteil gegen die Zeugin W. bei seiner Beweiswürdigung nicht berücksichtigt, also seiner Überzeugungsbildung etwas nicht zugrunde gelegt zu haben, was Inbegriff der Hauptverhandlung war (§ 261 StPO). Dabei teilt die Revision alle insoweit relevanten Passagen des verlesenen Urteils wörtlich mit. Der vom Generalbundesanwalt vermissten Wiedergabe der gesamten Urteilsgründe bedurfte es nicht.
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- b) Die Rüge ist begründet. In dem in der Hauptverhandlung verlesenen Urteil vom 13. Dezember 2005 hatte das Landgericht Düsseldorf festgestellt, dass die Zeugin W. im Oktober 2002 von einem niederländischen Gericht wegen mittäterschaftlicher Betäubungsmitteleinfuhr (Einfuhr von knapp 1,5 Kilogramm Kokain im Fluggepäck aus Curacao zusammen mit einem Mann im Juli 2002) zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Seine Überzeugung von der Schuld der Zeugin W. hatte es u. a. darauf gestützt, dass diese, wie ihre Vorverurteilung zeige, Erfahrung mit dem Schmuggel von Betäubungsmitteln und den damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten gehabt hatte.
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- Die Bedeutung dieser einschlägigen Vorstrafe der Zeugin für die Überzeugungsbildung des Gerichts liegt auf der Hand. Der Umstand, dass die Zeugin bereits einmal - erkennbar unter derselben Tarnung (als Touristin mit einem Partner aus dem Urlaub kommend) - beim Schmuggel von Betäubungsmitteln betroffen und dafür bestraft worden war, konnte für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage nicht ausgeblendet werden. Mit ihm hätte sich das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung auseinandersetzen müssen.
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- 3. Der neue Tatrichter wird zu bedenken haben, dass es von Rechts wegen nicht geboten ist, entweder der Version des Angeklagten oder der der Zeugin zu folgen. An Stelle der Alleintäterschaft einer der Personen wird er auch die Möglichkeit zu erwägen haben, ob nicht beide in strafbarer Weise am Verbringen des Kokains beteiligt waren.
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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.