Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2011 - 3 StR 459/10

published on 17/02/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Feb. 2011 - 3 StR 459/10
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 459/10
vom
17. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer Brandstiftung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. a) mit dessen Zustimmung, zu 3.
auf dessen Antrag - am 17. Februar 2011 gemäß § 154a Abs. 1 und 2, § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 6. Juli 2010 wird
a) die Strafverfolgung in den Fällen II. 1. bis 4. der Urteilsgründe auf die Verstöße gegen das Waffengesetz und die versuchte schwere Brandstiftung beschränkt;
b) das vorbezeichnete Urteil aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Verstoßes gegen das Waffengesetz in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung schuldig ist; bb) im gesamten Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Vereinsgesetz und in einem Fall zusätzlich in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den Feststellungen beteiligte sich der Angeklagte zu Beginn des Jahres 2007 an einer Kampagne der "Komalen Ciwan", der Jugendorganisation der Arbeiterpartei Kurdistans (im Folgenden: PKK), Molotow-Cocktails zu werfen und in Brand zu setzen. Der Angeklagte wollte durch dieses Verhalten auf die Haftbedingungen des Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan, aufmerksam machen. In Ausführung dieses Plans warfen der Angeklagte und Mittäter an drei Tagen im Februar 2007 in Dortmund und Hagen Brandsätze vor allem auf Straßen und Gehwege. Zeitnah danach plante der Angeklagte einen Brandanschlag auf einen türkischen Kulturverein in Dortmund. Er warf einen MolotowCocktail in den Eingangsbereich eines Anbaus, in dem die Räumlichkeiten des Vereins untergebracht waren; diese wurden regelmäßig auch als Moschee zu muslimischen Gottesdiensten genutzt. Der Brandsatz schlug in der Nähe der Eingangstür auf und zerschellte; das ausfließende Benzin erreichte die Tür. Tragende Teile des Gebäudes wurden jedoch nicht in Brand gesetzt. Nach den Taten begab sich der Angeklagte u.a. nach Belgien und gelangte im Januar 2008 in ein Lager der PKK im Nordirak. Dort wurde er politisch und militärisch geschult; sodann war er Mitglied einer im Nordirak operierenden PKK-Einheit. Im Februar 2009 stellte er sich in Syrien den Behörden; er befand sich zunächst dort in Auslieferungs- und sodann in der Türkei in Untersuchungshaft. Mit Urteil des 8. Gerichts für schwere Strafdelikte in Adana (Türkei) vom 4. März 2010 wurde er vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen. Wegen der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation wurde er unter Anwendung einer Reuevorschrift nicht bestraft.
3
1. Die Feststellungen belegen nicht das vom Landgericht in allen vier Fällen angenommene tateinheitliche Vergehen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4, § 18 Satz 2 VereinsG. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, dass der Angeklagte mitgliedschaftlich oder sonst organisatorisch in die PKK eingebunden war oder sein Handeln objektiv eine Außenwirkung zu deren Gunsten entfaltete (vgl. Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 20 VereinsG Rn. 21 Stand: April 2010); insoweit reicht die Feststellung seiner subjektiven Absicht nicht aus, auf die Haftbedingungen von Abdullah Öcalan aufmerksam machen zu wollen. Der Senat hat deshalb aus Gründen der Verfahrensökonomie mit Zustimmung des Generalbundesanwalts den Vorwurf des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz von der Strafverfolgung ausgenommen, diese auf die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt und den Schuldspruch entsprechend geändert.
4
2. Dies bedingt die Aufhebung der Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe; denn die Strafkammer hat ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass er bei seinen Taten jeweils mehrere Straftatbestände verwirklicht habe. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen werden hiervon nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
5
3. Das neue Tatgericht wird in diesem Zusammenhang auch erneut nach § 51 Abs. 1 und 3 StGB über die Anrechnung der vom Angeklagten in der Tür- kei und Syrien anlässlich seiner späteren Betätigung für die PKK erlittenen Haft zu befinden haben. Hierfür wird es maßgebend darauf ankommen, ob sich der Angeklagte bereits in Deutschland als Mitglied an der PKK beteiligte und diese Tätigkeit anschließend im Ausland ohne wesentliche Unterbrechung fortführte. In diesem Fall erlitt der Angeklagte die ausländische Haftzeit aus Anlass einer Tat, die Gegenstand auch des inländischen Verfahrens gewesen ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 3 StR 179/10, NJW 2011, 542); hierfür genügt eine "funktionale Verfahrenseinheit" im Sinne eines Zusammenhangs oder irgendwie gearteten sachlichen Bezugs (BVerfG, Beschluss vom 28. September 1998 - 2 BvR 2232/94, NStZ 1999, 24; BGH, Beschluss vom 26. Juni 1997 - StB 30/96, BGHSt 43, 112, 115 ff.; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 51 Rn. 6a). Für diese Beurteilung ist es ohne Belang, dass das Vergehen nach dem Vereinsgesetz nach § 154a StGB von der Strafverfolgung ausgenommen worden und aufgrund der Rechtskraft des Schuldspruchs eine anderweitige Aburteilung eines Organisationsdelikts nicht mehr möglich ist. Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann
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published on 28/10/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 179/10 vom 28. Oktober 2010 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja StGB § 129, § 129a, § 129b 1. Eine in Deutschland tätige Teilorganisation einer ausländischen Vereinigung ist nur da
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit

1.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereins entgegen einem vollziehbaren Verbot oder entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß er Ersatzorganisation eines verbotenen Vereins ist, aufrechterhält oder sich in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
2.
den organisatorischen Zusammenhalt einer Partei oder eines Vereins entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei sind (§ 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes), aufrechterhält oder sich in einer solchen Partei oder in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
3.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereines oder einer Partei der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Art oder deren weitere Betätigung unterstützt,
4.
einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5.
Kennzeichen einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Vereine oder Parteien oder eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots oder der Feststellung verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ 84, 85, 86a oder den §§ 129 bis 129b des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist. In den Fällen der Nummer 5 gilt § 9 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 oder 3 entsprechend.

(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach Absatz 1 absehen, wenn

1.
bei Beteiligten die Schuld gering oder deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist oder
2.
der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Partei oder des Vereins zu verhindern; erreicht er dieses Ziel oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird der Täter nicht bestraft.

(3) Kennzeichen, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 5 bezieht, können eingezogen werden.

Verbote von Vereinen, die ihren Sitz außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, aber Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs haben, erstrecken sich nur auf die Teilorganisationen innerhalb dieses Bereichs. Hat der Verein im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes keine Organisation, so richtet sich das Verbot (§ 3 Abs. 1) gegen seine Tätigkeit in diesem Bereich.

(1) Wer im räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes durch eine darin ausgeübte Tätigkeit

1.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereins entgegen einem vollziehbaren Verbot oder entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß er Ersatzorganisation eines verbotenen Vereins ist, aufrechterhält oder sich in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
2.
den organisatorischen Zusammenhalt einer Partei oder eines Vereins entgegen einer vollziehbaren Feststellung, daß sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei sind (§ 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes), aufrechterhält oder sich in einer solchen Partei oder in einem solchen Verein als Mitglied betätigt,
3.
den organisatorischen Zusammenhalt eines Vereines oder einer Partei der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Art oder deren weitere Betätigung unterstützt,
4.
einem vollziehbaren Verbot nach § 14 Abs. 3 Satz 1 oder § 18 Satz 2 zuwiderhandelt oder
5.
Kennzeichen einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Vereine oder Parteien oder eines von einem Betätigungsverbot nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 3 Satz 1 betroffenen Vereins während der Vollziehbarkeit des Verbots oder der Feststellung verbreitet oder öffentlich oder in einer Versammlung verwendet,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in den §§ 84, 85, 86a oder den §§ 129 bis 129b des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist. In den Fällen der Nummer 5 gilt § 9 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 oder 3 entsprechend.

(2) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach Absatz 1 absehen, wenn

1.
bei Beteiligten die Schuld gering oder deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist oder
2.
der Täter sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Fortbestehen der Partei oder des Vereins zu verhindern; erreicht er dieses Ziel oder wird es ohne sein Bemühen erreicht, so wird der Täter nicht bestraft.

(3) Kennzeichen, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Nr. 5 bezieht, können eingezogen werden.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.