Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Dez. 2008 - 3 StR 443/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet er die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 6 StPO, § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG Erfolg.
- 2
- Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: "Zu Recht rügt die Revision (RB RA F. , S. 1 ff.), dass vor der zweiten Vernehmung der Geschädigten am 6. März 2008 für den erfolgten Ausschluss der Öffentlichkeit ein neuer Gerichtsbeschluss erforderlich gewe- sen wäre und durch die Bezugnahme des Vorsitzenden auf den vorausgegangenen Ausschließungsbeschluss vom 20. Februar 2008 nicht ersetzt werden konnte (RB RA F. S. 18). Denn wenn derselbe Zeuge in der laufenden Hauptverhandlung nochmals unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden soll, ist grundsätzlich gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG ein neuer Gerichtsbeschluss erforderlich und mithin eine Anordnung des Vorsitzenden, in der auf einen vorausgegangenen Ausschließungsbeschluss Bezug genommen wird, nicht ausreichend (BGH StV 2008, 126f.). So war es hier. Die Nebenklägerin wurde in dem Hauptverhandlungstermin vom 6. März 2008 erneut vernommen (Protokollband (PB) Bl. 37), weil ihre Vernehmung vom 20. Februar 2008 (PB Bl. 15), für deren Dauer die Öffentlichkeit durch Gerichtsbeschluss ausgeschlossen worden war (PB Bl. 22), abgeschlossen und die Geschädigte ausweislich des Sitzungsprotokolls als Zeugin entlassen worden war (PB S. 5).
nächst zwei Sachverständige ergänzend ihre Gutachten (PB Bl. 36), bevor die Zeugin erneut vernommen wurde (PB Bl. 37). Soweit in den eingeholten dienstlichen Stellungnahmen hervorgehoben wird, allen Verfahrensbeteiligten sei klar gewesen, dass die Geschädigte 'noch einmal ergänzend' vernommen werden musste, vermag dies angesichts der oben dargelegten Umstände nichts daran zu ändern, dass die Vernehmung vom 20. Februar 2008 bereits abgeschlossen war.
Es liegt auch nicht die von der Rechtsprechung des BGH anerkannte Ausnahme von der Notwendigkeit eines erneuten Gerichtsbeschlusses vor (BGH StV 2008, 126, 127; BGH NStZ 1992, 447). Danach kann ein solcher entbehrlich sein, wenn dem Protokoll zu entnehmen ist, dass die Entlassung des Zeugen sofort zurückgenommen wurde und die für den Ausschließungsbeschluss maßgebliche Interessenlage fortbestand, so dass sich die zusätzliche Anhörung zusammen mit der vorausgegangenen als eine einheitliche Vernehmung darstellt (BGH NStZ 1992, 447).
So lag der Fall hier aufgrund des zeitlichen Abstands und der weiteren Beweisaufnahme zwischen den Vernehmungen ersichtlich nicht. "
- 3
- Dem stimmt der Senat zu.
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,
- 1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn - a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder - b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und - aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind, - bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder - cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
- 2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war; - 3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist; - 4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; - 5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat; - 6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; - 7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind; - 8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.
(1) Über die Ausschließung der Öffentlichkeit ist in nicht öffentlicher Sitzung zu verhandeln, wenn ein Beteiligter es beantragt oder das Gericht es für angemessen erachtet. Der Beschluß, der die Öffentlichkeit ausschließt, muß öffentlich verkündet werden; er kann in nicht öffentlicher Sitzung verkündet werden, wenn zu befürchten ist, daß seine öffentliche Verkündung eine erhebliche Störung der Ordnung in der Sitzung zur Folge haben würde. Bei der Verkündung ist in den Fällen der §§ 171b, 172 und 173 anzugeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist.
(2) Soweit die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen wird, dürfen Presse, Rundfunk und Fernsehen keine Berichte über die Verhandlung und den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Schriftstücks veröffentlichen.
(3) Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder aus den in §§ 171b und 172 Nr. 2 und 3 bezeichneten Gründen ausgeschlossen, so kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung von Tatsachen, die durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht machen. Der Beschluß ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. Er ist anfechtbar. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.