Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2000 - 3 StR 437/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Ergänzend zu der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Der Angeklagte ist, wie freibeweisliche Ermittlungen des Senats ergeben haben, von Geburt an Deutscher. Für die im Frühjahr 1986 von ihm in seiner damaligen Heimat Kasachstan begangenen beiden Taten des sexuellen Mißbrauchs von Kindern gilt deshalb nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB das deutsche Strafrecht, da die Taten am Tatort mit Strafe bedroht waren: Die Sexualdelikte zum Nachteil der neunjährigen Elena waren als Geschlechtsverkehr mit einer Person, die noch nicht das 16. Lebensjahr erreicht hat, nach Art. 102 Abs. 1 des kasachischen Strafgesetzbuches von 1959 in der 1986 geltenden Fassung mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, bzw. als Demoralisierung Minderjähriger durch die Vornahme unzüchtiger Handlungen an ihnen nach Art. 103 dieses Gesetzes mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht. Nach Art. 43 Nr. 2 dieses Gesetzes betrug die Verjährungsfrist bei Straftaten mit einer Strafandrohung von mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe fünf Jahre.
Als der Angeklagte im Dezember 1990 in die Bundesrepublik übersiedelte , war weder nach kasachischem noch nach deutschem Recht Verjährung eingetreten. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 30. StrÄ ndG am 30. Juni 1994 war die Strafverfolgung nach deutschem Recht noch nicht verjährt, so daß die Verjährung nach § 78 b Abs. 1 Nr. 1 StGB bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres des Opfers am 14. August 1994 ruhte. Darauf, daß die Tat am Tatort (nach kasachischem Recht) wegen Verjährung nicht mehr hätte verfolgt werden können, kommt es nicht an. § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist Ausdruck des aktiven Personalitätsprinzips. Anders als möglicherweise bei § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB, der allein durch das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege gerechtfertigt ist (vgl. BGHR StGB § 7 II Strafbarkeit 2), ist es hier ausreichend, daß die Tat am Tatort materiell strafbar ist; tatsächlich verfolgbar braucht sie nicht zu sein (Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 7 Rdn. 17, 11; Lackner in Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 7 Rdn. 2).
Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.
(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter
- 1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder - 2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.