Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2007 - 3 StR 412/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Beschuldigten hat Erfolg.
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- Nach den Feststellungen des Landgerichts entwendete der Beschuldigte im März 2005 in einem Supermarkt ein Päckchen Tabak im Wert von 4,15 € und führte dabei ein Klappmesser mit feststellbarer Klinge und ein SchweizerMesser bei sich. Anfang November 2005 hinderte er eine Bekannte daran, seine Wohnung zu verlassen. Außerdem schlug er auf sie ein und verletzte sie erheblich.
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- Die Unterbringungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Anordnung nach § 63 StGB setzt u. a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustandes voraus, der zumin- dest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 22, 27; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 63 Rdn. 6). Sie bedarf einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt. Den danach zu stellenden Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht hat weder ausreichend dargelegt, dass der Beschuldigte zu den Tatzeiten schuldunfähig war (nachstehend 1.), noch ausreichend dessen Gefährlichkeit begründet (nachstehend 2.).
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- 1. Wenn sich der Tatrichter - wie hier - darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (BGH NStZ 2003, 307; NStZ-RR 2003, 232 jeweils m. w. N.). Daran fehlt es hier. Zum Beleg dafür, dass der Beschuldigte nicht fähig war, seiner vorhandenen Unrechtseinsicht gemäß zu handeln, hat die Strafkammer lediglich ausgeführt, bei dem Beschuldigten bestehe "neben einer dissozialen Störung und einer Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit eine chronifizierte schwere schizophrene Psychose mit ausgeprägten Störungen der Handlungsübersicht, der Kritikfähigkeit, der adäquaten Selbsteinschätzung, des verinnerlichten Wertgefühles und der Impulskontrolle". Es fehlt eine Darlegung, wie dieses Störungsbild auf den Beschuldigten und seine Handlungsmöglichkeiten in den konkreten Tatsituationen eingewirkt hat. Hierauf kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn bei dem Täter eine Schizophrenie diagnostiziert worden ist. Die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich allein genommen nicht zur Feststellung einer - generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden - Schuldunfähigkeit (vgl. Nedopil, Forensische Psychiatrie 3. Aufl. S.151). Dass sich der Beschuldigte bei beiden Taten jeweils in einem akuten Schub der Krankheit befunden hätte (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 16. Mai 2007 - 2 StR 96/07), ist nicht erkennbar. Zu dem Diebstahl mit Waffen sind über die den Tatbestand erfüllende Handlung hinaus weitere Umstände nicht festgestellt. Bei der gefährlichen Körperverletzung nebst Freiheitsberaubung hat der Beschuldigte sich vor und nach der Tat situationsangepasst verhalten.
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- 2. Vergleichbar knapp und damit angesichts des erheblichen Eingriffs, der mit der Unterbringung nach § 63 StGB verbunden ist, ebenfalls nicht ausreichend hat das Landgericht seine Überzeugung von der zukünftigen Gefährlichkeit des Beschuldigten begründet. Auch hier ist es dem Sachverständigen gefolgt und hat lediglich ausgeführt, es bestehe "ein erhebliches Risiko der Begehung weiterer ähnlicher Straftaten", es sei "jederzeit mit schwersten Gewalttaten aufgrund der psychotischen Situationsverkennung zu rechnen". Es fehlt eine Auseinandersetzung damit, dass der Beschuldigte nach den getroffenen Feststellungen letztmals Anfang 1998 bestraft worden und auch in den 15 Monaten zwischen der Tat und der vorläufigen Unterbringung nicht wieder auffällig geworden ist.
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- 3. Über die Voraussetzungen der Unterbringung des Beschuldigten muss deshalb - sinnvollerweise auch unter Auswertung der Erkenntnisse im Zusammenhang mit dessen mehrfachen Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken - erneut entschieden werden.
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- 4. Der neue Tatrichter wird im Hinblick darauf, dass das Opfer (und einzige Beweismittel) bezüglich der gefährlichen Körperverletzung selbst erheblich alkoholisiert war, auch der Darstellung der Beweiswürdigung größere Aufmerksamkeit zu widmen haben.
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- 5. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Verfahren an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.
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Annotations
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.