Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2009 - 3 StR 410/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Lübeck zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht Kiel hatte den Angeklagten zunächst wegen Untreue und uneidlicher Falschaussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dieses Urteil hob der Senat auf die Revision des Angeklagten wegen sachlichrechtlicher Fehler in vollem Umfang auf. Nach erneuter Hauptverhandlung verurteilte das Landgericht den Angeklagten wegen Untreue zur Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat dieses Urteil mit Beschluss vom 17. Juli 2007 im Strafausspruch auf, verwies im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück und verwarf die weitergehende Revision (BGH wistra 2007, 422). Die gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde des Angeklagten nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an (BVerfG NStZ 2009, 560 ff.). Mit Urteil vom 28. Mai 2009 hat das Landgericht den Angeklagten nunmehr zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen zahlte der Angeklagte, ein Notar, im Dezember 1999 entgegen der mit einer Bank geschlossenen Treuhandvereinbarung den auf sein Notaranderkonto überwiesenen, von der Bank einem Grundstückskäufer gewährten Darlehensbetrag i. H. v. 2,7 Mio. DM an die Verkäufer des Grundstücks aus, obwohl weder die Kosten für die Eintragung einer als Sicherheit für das Darlehen bestellten Grundschuld in das Grundbuch gezahlt waren noch für ihre Zahlung eine Sicherheit oder eine Gebührenbefreiung vorlag. Erst im Jahre 2003 wurde die erstrangige Grundschuld in das Grundbuch eingetragen, sodass die das Darlehen gewährende Bank nachträglich die vertraglich vereinbarte Sicherheit erhielt.
- 3
- In dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass die "schadensgleiche Vermögensgefährdung" der Bank mit jedenfalls 500.000 € besonders hoch war. Es hat ausgeführt , zur Feststellung der Höhe der "Vermögensgefährdung" sei der Wert des durch die Grundschuld gesicherten Darlehensrückzahlungsanspruchs dem Wert der ungesicherten, von einem Totalverlust gefährdeten Forderung gegenüberzustellen. Während der Wert der ungesicherten Forderung mit 0 € zu veranschlagen sei, sei für den Wert der gesicherten Forderung jedenfalls der Betrag , der im Rahmen einer Zwangsversteigerung für das Grundstück zu erlösen gewesen wäre, abzüglich der anfallenden Kosten anzusetzen.
- 4
- 2. Gegen die Berechnung des durch die treupflichtwidrige Handlung des Angeklagten der Darlehensgeberin entstandenen Vermögensnachteils bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken, sodass die vom Landgericht zugemessene Strafe nicht bestehen bleiben kann.
- 5
- Die Höhe des der Kredit gewährenden Bank durch die Auszahlung der Darlehenssumme als Kaufpreis an die Grundstücksverkäufer entstandenen Vermögensnachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB bestimmt sich nach einem Vergleich der Vermögenslage der Bank vor und nach der treuwidrigen Verfügung des Angeklagten. Die Vermögenslage der Bank vor der Verfügung war dadurch gekennzeichnet, dass sie durch die Überweisung der Darlehensvaluta auf das Treuhandkonto des Angeklagten den Kreditbetrag bereits aus ihrem Vermögen weggegeben hatte. Dem standen indessen ihre Ansprüche gegen den Angeklagten aus dem Treuhandvertrag gegenüber, weil dieser die Darlehensvaluta nur bei Erfüllung der Treuhandauflagen als Kaufpreiszahlung an die Grundstücksverkäufer auskehren durfte. Da die Feststellungen keinen Anhalt dafür bieten, dass der Angeklagte von Anfang an die ihm erteilten Auflagen nicht einhalten wollte, stand der Bank daher zu diesem Zeitpunkt in Höhe des vollen Darlehensbetrages eine gleichwertige Sicherheit als Vermögensposition zu. Diese entfiel, als der Angeklagte die Darlehenssumme an die Grundstücksverkäufer auszahlte. An ihre Stelle trat der Darlehensrückzahlungsanspruch gegen den Grundstückskäufer sowie zu dessen Absicherung die dinglich vereinbarte und bewilligte erstrangige Grundschuld, deren zeitnahes wirksames Entstehen durch Eintragung in das Grundbuch jedoch wegen der fehlenden Kostendeckung bzw. -befreiung noch nicht sichergestellt war.
- 6
- Zutreffend ist das Landgericht vor diesem Hintergrund zwar davon ausgegangen , dass der der Bank durch die treuwidrige Verfügung des Angeklagten entstandene Vermögensnachteil durch einen Vergleich dieser Situation mit der Vermögenslage der Bank zu ermitteln ist, die sich ergeben hätte, wenn der Angeklagte die Darlehensvaluta auftragsgemäß erst nach Deckung der Kosten für die Eintragung der Grundschuld in das Grundbuch ausgekehrt hätte. Denn nach der in den vertraglichen Vereinbarungen zum Ausdruck gekommenen Risikoabschätzung der Bank wäre in diesem Fall der Darlehensrückzahlungsanspruch in nicht geringerer Weise gesichert gewesen als es ihr Rückzahlungsanspruch gegen den Angeklagten für den Fall des Nichteintritts der Auszahlungsbedingungen gewesen war. Dies entspricht dem Grundsatz, dass der Vermögensnachteil des Treugebers allein an den das Vermögen mindernden Auswirkungen gerade der treupflichtwidrigen Handlung zu bemessen ist. Die Auffassung des Landgerichts, die Forderung der Bank auf Darlehensrückzahlung sowie deren Absicherung durch die vereinbarte und bewilligte, aber noch nicht im Grundbuch eingetragenen Grundschuld sei mit 0 € zu bewerten, wird jedoch von den Feststellungen nicht getragen. Diese Forderung wäre nur dann völlig wertlos, wenn der Darlehensnehmer und Grundstückskäufer nicht willens oder in der Lage gewesen wäre, den Kredit aus seinem Vermögen und seinem Einkommen , zu denen die zu erwartenden Einnahmen aus der Nutzung des erworbenen Grundstücks zählen, auch nur teilweise zu tilgen. Hierfür ist nichts ersichtlich. Ebenso wenig ist erkennbar, dass die vereinbarte und zur Eintragung ins Grundbuch bewilligte und beantragte Grundschuld nur deshalb zur (teilweisen) Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs völlig wertlos war, weil ihrer Eintragung allein noch die fehlende Kostendeckung entgegenstand, für die notfalls die Bank selbst hätte sorgen können (s. zur Bestimmung des Vermögensnachteils im vergleichbaren Fall einer treuwidrigen Darlehensgewährung BGH, Urt. vom 13. August 2009 - 3 StR 576/08 - Rdn. 25).
- 7
- Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer wird den durch die treupflichtwidrige Verfügung bedingten Minderwert des Darlehensrückzahlungsanspruchs der Bank nach bilanzrechtlichen Maßstäben zu errechnen (BGH NStZ 2009, 330, 331) oder - bei verbleibenden Unsicherheiten - unter Beachtung des Zweifelsatzes im Wege der Schätzung zu bestimmen (BGH NJW 2008, 2451, 2452) und sich hierzu gegebenenfalls der Unterstützung durch einen Sachverständigen zu bedienen haben. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass Veränderungen des Marktwertes des in Rede stehenden Grundstücks und des Wertes der bewilligten Grundschuld als Sicherheit ebenso wie Änderungen in der finanziellen Leistungsfähigkeit des Grundstückserwerbers, die erst nach der treuwidrigen Verfügung des Angeklagten entstanden sind, für die Bestimmung des Vermögensnachteils im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB keine Relevanz gewinnen; denn derartige Umstände liegen in dem von der Bank durch die Darlehensgewährung eingegangenen wirtschaftlichen Risiko und stehen in keinem zurechenbaren Zusammenhang mit der Pflichtverletzung des Angeklagten.
- 8
- 3. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht und die Sache an das Landgericht Lübeck zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Becker Pfister von Lienen Hubert Mayer
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.