Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2016 - 3 StR 354/16

published on 13/12/2016 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2016 - 3 StR 354/16
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 354/16
vom
13. Dezember 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
hier: Revision des Angeklagten D.
ECLI:DE:BGH:2016:131216B3STR354.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts am 13. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 12. Februar 2016 - auch soweit es den Angeklagten De. betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten De. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung die Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten D. hat Erfolg.
2
I. Nach den Feststellungen beschlossen die Angeklagten, den Geschädigten , die ihnen als Drogenhändler bekannt waren, die in ihrem Besitz befindlichen Drogen wegzunehmen. Während der Angeklagte D. diese zum eige- nen Konsum bzw. Weiterverkauf an sich bringen wollte, beabsichtigte der Mitangeklagte De. , die Betäubungsmittel zu vernichten, weil die Geschädigten seiner minderjährigen Nichte Marihuana überlassen hatten und deshalb bestraft werden sollten. Unter dem Vorwand, eine größere Menge Marihuana erwerben zu wollen, verschafften sich die Angeklagten durch Vermittlung der gesondert verfolgten Lebensgefährtin des Angeklagten D. Zugang zur Wohnung des Geschädigten T. , wo nach einiger Zeit der Geschädigte H. erschien , der rund 300 Gramm Marihuana mitbrachte, das er den angeblichen Käufern zur Ansicht übergab. Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren die Angeklagten sich einig, das Rauschgift, das zu diesem Zeitpunkt der Angeklagte D. in der Hand hielt, notfalls mit Gewalt oder Drohungen an sich zu bringen. In der Folge ergriff der Nichtrevident eine auf dem Wohnzimmertisch liegende , dem Geschädigten T. gehörende Schreckschusspistole, die - was sowohl dieser als auch der Nichtrevident, nicht aber der Geschädigte H. wussten - funktionsunfähig war. Die gesondert Verfolgte nahm einen in der Wohnung befindlichen schwarzen Teleskopschlagstock in die Hand. Außerdem stieß der Mitangeklagte den Geschädigten T. , der aufstehen wollte, so kräftig "im Bereich der Brust oder des Halses", dass er auf das Sofa zurück fiel, fortan dort sitzen blieb und unter dem Eindruck des Geschehens nichts mehr unternahm. Nunmehr steckte der Angeklagte die Tüte mit dem Marihuana ein und verließ mit den beiden Mittätern die Wohnung.
3
II. Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Annahme einer Körperverletzungshandlung wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.
4
Das Landgericht sieht die Körperverletzung in dem vom Mitangeklagten De. geführten Schlag gegen die Brust oder gegen den Hals des Geschädigten T. . Der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB in der Variante der vorliegend allein in Betracht kommenden körperlichen Misshandlung ist indes nur dann erfüllt, wenn die Schwelle zu einer üblen und unangemessenen Behandlung , die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt, überschritten wird (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 223 Rn. 4 mwN). Nicht jeder vorsätzliche Schlag oder Stoß, der das Opfer trifft, stellt eine tatbestandliche Körperverletzungshandlung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2001 - 4 StR 174/01, StV 2001, 680 mwN). Dazu, ob es vorliegend durch den festgestellten Schlag zu einer körperlichen Beeinträchtigung des Geschädigten gekommen ist, verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Zwar ergibt sich aus der Beweiswürdigung, dass der Geschädigte T. angegeben hat, einen Augenblick nur schwer Luft bekommen zu haben, als er auf das Sofa zurückfiel. Dies enthält aber schon nicht die Feststellung , dass der Geschädigte tatsächlich wegen der körperlichen Einwirkung durch den Schlag nur schwer atmen konnte. Darüber hinaus ist eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung damit nicht belegt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 - 3 StR 323/13, NStZ-RR 2014, 11).
5
Mit der Aufhebung des Schuldspruchs wegen gefährlicher Körperverletzung entfällt bei dem Angeklagten D. auch die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen schweren Raubes. Der Senat hat die Feststellungen insgesamt aufgehoben, um der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer eine in sich stimmige Sachverhaltsaufklärung zu ermöglichen. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung des Urteils auf den Mitangeklagten De. zu erstrecken , der gegen das Urteil keine Revision eingelegt hat. Der Rechtsfehler im Schuldspruch betrifft ihn gleichermaßen.
6
III. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
7
1. Sollte in der neuen Hauptverhandlung eine Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten T. festgestellt werden, wird sich das Landgericht eingehender, als dies in dem angefochtenen Urteil geschehen ist, mit der Frage zu beschäftigen haben, ob die Angeklagten insoweit gemeinschaftlich im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB handelten. Durch die bisherigen Feststellungen ist dies nicht hinreichend belegt.
8
2. Dem aufgehobenen Urteil kann nicht zweifelsfrei entnommen werden, welche Einzelstrafen aus früheren Verurteilungen in die gegen den Angeklagten D. verhängte Gesamtstrafe einbezogen worden sind und ob diese rechtsfehlerfrei gebildet worden ist. Das Landgericht hat in die verhängte Gesamtstrafe mehrere Freiheitsstrafen aus einer "Verurteilung durch das Landgericht Aurich" , von der im Tenor lediglich das Aktenzeichen mitgeteilt wird, einbezogen. Welche Straftaten mit dem Berufungsurteil des Landgerichts Aurich abgeurteilt worden sind und welche Einzelstrafen der dort ausgesprochenen Gesamtstrafe zugrunde liegen, ergeben die Feststellungen nicht. Becker RiBGH Dr. Schäfer befindet Spaniol sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Tiemann Hoch
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.