Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Aug. 2010 - 3 StR 285/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Zur Maßregelanordnung nach § 64 StGB weist der Senat auf Folgendes hin: Die Unterbringungsanordnung nach § 64 StGB hat das Landgericht u.a. darauf gestützt, dass aus näher ausgeführten Gründen beim Angeklagten eine Entziehungskur nicht als "aussichtslos" angesehen werden könne. Diese Auslegung hat das Bundesverfassungsgericht in einer zu § 64 StGB aF ergangenen Entscheidung bereits im Jahr 1994 für verfassungswidrig erklärt (BVerfGE 91, 1 ff.). Der Bundesgerichtshof hat in der Folgezeit in einer Vielzahl von Entscheidungen zur früheren Fassung des § 64 StGB darauf hingewiesen, dass das Abstellen auf das Fehlen der "Aussichtslosigkeit" rechtsfehlerhaft ist und die Vorschrift in verfassungskonformer Auslegung die Feststellung einer konkreten Erfolgsaussicht der Maßregel voraussetzt. Am 20. Juli 2007 ist eine Gesetzesänderung in Kraft getreten, die dieser Auslegung Rechnung trägt (§ 64 Satz 2 StGB). Es ist daher nicht verständlich, dass Tatrichter - mittlerweile ent- gegen dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift - der Anwendung des § 64 StGB eine Auslegung zu Grunde legen, die seit über 15 Jahren überholt ist. Dieser Rechtsfehler führt hier indes nicht zur Aufhebung des Maßregelausspruchs. Der Senat kann angesichts der weiteren Begründung zur Therapiewilligkeit des bislang unbehandelten Angeklagten ausschließen, dass die Maßregelanordnung auf der rechtsfehlerhaften Auslegung des § 64 StGB beruht. Er weist ferner darauf hin, dass bei der Bemessung des vor der Maßregel zu vollziehenden Teils der Strafe (§ 67 Abs. 2 Satz 3 StGB) die Zeit der bis zum Ende der Hauptverhandlung verbüßten Untersuchungshaft nicht in Abzug zu bringen ist; denn die vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft ist im Rahmen der Strafvollstreckung auf die Dauer des vor der Unterbringung zu vollziehenden Teils anzurechnen (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluss vom 2. Februar 2010 - 3 StR 558/09 mwN). Im vorliegenden Fall hätte daher der Vorwegvollzug von einem Monat Freiheitsstrafe angeordnet werden müssen. Da sich auch dieser Rechtsfehler hier nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkt, sieht der Senat davon ab, den Rechtsfolgenausspruch entsprechend zu ergänzen. Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert Mayer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.