Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Okt. 2013 - 3 StR 215/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den wegen Körperverletzung, Diebstahls und eines Straßenverkehrsdelikts vorbestraften Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen, Beleidigung in zwei Fällen sowie falscher Verdächtigung zu einer Ge- samtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe sowie der Unterbringung hat es zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zur Ergänzung der Urteilsformel um eine tatmehrheitlich begangene Bedrohung (Fall II. 6. der Urteilsgründe). Im Übrigen hat es lediglich zum Maßregelausspruch Erfolg.
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- I. Schuld- und Strafausspruch weisen, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragschrift zutreffend ausgeführt hat, keinen durchgreifenden sachlichrechtlichen Fehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- II. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus hält materiellrechtlicher Prüfung dagegen nicht stand; denn die Strafkammer hat die nach § 63 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose nicht rechtsfehlerfrei getroffen.
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- Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustands in Zukunft Taten begehen wird, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Die erforderliche Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (BGH, Urteil vom 17. November 1999 - 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27; Beschluss vom 16. Januar 2013 - 4 StR 520/12, NStZ-RR 2013, 141, 142). Die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB bedarf insgesamt einer besonders sorgfältigen Begründung, weil sie eine schwerwiegende und gegebenenfalls langfristig in das Leben des Betroffenen eingreifende Maßnahme darstellt (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 5 StR 199/11, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 32; vom 17. Februar 2009 - 3 StR 27/09, NStZ-RR 2009, 169). Diesen Maßstäben genügen die Erwägungen der Strafkammer nicht.
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- 1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Angeklagte leide bei einer dissozial geprägten Persönlichkeit an einer paranoiden Schizophrenie (ICD 10: F 20.01); darüber hinaus bestehe eine Abhängigkeit von Cannabinoiden und Amphetaminen mit ständigem Substanzgebrauch (ICD 10: F 12.25). Bei den Diebstahlstaten sei seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB gewesen; bei den übrigen Taten sei dies nicht auszuschließen. Es müsse "auch zukünftig damit gerechnet werden", dass der Angeklagte Straftaten , "insbesondere im aggressiven körperlichen Bereich bis hin zu schweren Körperverletzungs- sowie Tötungsdelikten" begehen werde.
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- 2. Es ist bereits fraglich, ob diesen Formulierungen entnommen werden kann, dass die Strafkammer ihre Entscheidung an dem nach ständiger Rechtsprechung anzuwendenden Maßstab einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades (BGH, Urteil vom 17. November 1999 - 2 StR 453/99, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 27; Beschluss vom 20. Februar 2009 - 5 StR 555/08, BGHR StGB § 63 Gefährlichkeit 31) ausgerichtet hat. Jedenfalls hat sie bei ihrer Prognose, es sei mit Delikten bis hin zu schweren Körperverletzungs- und Tötungsstraftaten zu rechnen, wesentliche, in die erforderliche Gesamtwürdigung des Angeklagten und seiner Taten einzustellende Umstände nicht berücksichtigt und deshalb ihre Erwartung nicht tragfähig begründet. Angeführt sind insoweit lediglich die Chronifizierung der Erkrankung des Angeklagten sowie dessen Verhalten anlässlich der ambulanten Behandlungstermine und der Explorationsgespräche , bei denen er verbal bedrohlich bzw. deutlich reizbar und aggressiv aufgetreten sei, ohne dass allerdings insoweit nähere Einzelheiten mitgeteilt werden. Dies reicht bereits für sich genommen nicht aus, um den dargelegten erhöhten Begründungsanforderungen gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass das Landgericht in diesem Zusammenhang etwa nicht berücksichtigt hat, dass der Angeklagte bisher nur wegen vergleichsweise geringfügiger Delikte vorbestraft ist und auch den hier abgeurteilten Taten keine besonderen Hinweise auf seine Bereitschaft zu entnehmen sind, aggressiv und gewalttätig gegen Körper und Gesundheit anderer vorzugehen. Ebenso bleibt - im Gegensatz zur positiven Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung nach § 56 Abs. 1, 2 StGB - unberücksichtigt, dass der Angeklagte nach Begehung der letzten Tat für den Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und seine Lebensverhältnisse sich stabilisiert haben.
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- III. Über den Maßregelausspruch ist deshalb neu zu verhandeln und zu entscheiden.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.