Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2013 - 3 StR 2/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- Die Ablehnung der Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat diese Entscheidung damit begründet, dass beim Angeklagten "zwar der Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, zumindest ein langjähriger regelmäßiger Missbrauch von Alkohol und dazu ein Drogenkonsum von Cannabis und Amphetaminen" bestehe, "sichere Anzeichen einer körperlichen Abhängigkeit" bisher allerdings nicht festzustellen seien. Auch habe der Angeklagte nur von gelegentlichen leichteren Entzugserscheinungen berichtet. Angesichts der Tatmotivation, Geld und/oder Drogen zu beschaffen, sei zudem nicht sicher festzustellen, dass die Tat auf einen möglichen Hang zurückzuführen sei.
- 3
- Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Landgericht bei der Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen unzutreffende Maßstäbe angelegt hat. Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt: "Zwar hat eine körperliche Entzugssymptomatik eine erhebliche Indizwirkung für das Vorliegen eines Hangs, indes ist sie nicht Voraussetzung für dessen Bejahung (Senat, StraFo 2010, 74). Auch hat ihr Fehlen für die Feststellung eines Hangs regelmäßig nur eine eingeschränkte Aussagekraft, da sie einen Grad der Neigung zum Rauschmittelkonsum kennzeichnet, den der Täter für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht erreicht haben muss (Senat, Beschluss vom 2. August 2012 - 3 StR 259/12 -). Zudem ist die Strafkammer von einem rechtsfehlerhaften Verständnis zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und der Anlasstat ausgegangen. Nach ständiger Rechtsprechung muss die (Anlass-)Tat entweder im Rausch begangen worden sein oder auf den Hang des Täters zurückgehen, das heißt, es muss ein symptomatischer Zusammenhang zwischen Hang und Anlasstat bestehen. Die Annahme eines symptomati- schen Zusammenhangs liegt bei Beschaffungskriminalität, wovon im vorliegenden Fall auszugehen ist, sehr nahe (BGH StV 2008, 405, 406). So hat die Strafkammer festgestellt, den Angeklagten sei bei dem gemeinsamen Alkohol- und Rauschgiftkonsum das Rauschgift ausgegangen, weshalb sie im Verlangen nach weiterem Rauschgiftkonsum beschlossen, den Geschädigten R. zu überfallen, um von diesem weiteres Rauschgift zu erhalten. Im weiteren Tatverlauf verlangten die Angeklagten zunächst vom Geschädigten R. , dann vom Geschädigten S. Drogen (UA S. 8, 9). Zudem wurde die Tat - wie festgestellt - im Rausch begangen. Einen 'erheblichen' Rauschzustand, der regelmäßig zur Annahme des § 21 StGB führt, setzt § 64 StGB nicht voraus (BGH NStZ-RR 2003, 41; Senat, Beschluss vom 3. Juli 2003 - 3 StR 187/03 -)."
- 4
- Dem schließt sich der Senat an.
- 5
- Über die Frage einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch den Tatrichter auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).
Mayer Spaniol
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.