Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2019 - 3 StR 183/19

published on 04/06/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juni 2019 - 3 StR 183/19
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 183/19
vom
4. Juni 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:040619B3STR183.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts am 4. Juni 2019 gemäß § 46 Abs. 1, § 346 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 20. Dezember 2018 wird verworfen. 2. Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts Hildesheim vom 5. März 2019, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das vorbenannte Urteil als unzulässig verworfen worden ist, wird auf seine Kosten verworfen.

Gründe:

1
I. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Nachdem sein Verteidiger für ihn fristgerecht Revision eingelegt hatte, ist jenem das Urteil am 1. Februar 2019 zugestellt worden. Als bis zum 5. März 2019 eine Revisionsbegründung nicht eingegangen war, hat das Landgericht mit Beschluss von diesem Tag die Revision nach § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Der Beschluss ist dem Verteidiger am 8. März 2019 zugestellt und an den Angeklagten formlos übersandt worden.
3
Mit beim Landgericht am 13. März 2019 eingegangenem persönlichen Schreiben vom 11. März 2019 hat der Angeklagte unter Bezugnahme auf die dem Beschluss angefügte Belehrung über das Rechtsmittel des § 346 Abs. 2 StPO darum gebeten, ihm eine Übersetzung des Urteils in die polnische Sprache zukommen und "die Frist... (zur Revisionsbegründung erneut) starten zu lassen", wenn ihm diese Übersetzung vorliege.
4
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 15. März 2019, eingegangen beim Landgericht Hildesheim am selben Tag, hat der Angeklagte die Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss beantragt,"vorsorglich" um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ersucht und die Revision "kurz zusammenfassend" begründet. Zum Wiedereinsetzungsantrag ist dort ausgeführt, der Angeklagte habe keine Übersetzung des Urteils in die polnische Sprache erhalten , sodass nach dessen Auffassung die Revisionsbegründungsfrist noch nicht zu laufen begonnen habe. Aufgrund eines "sprachlichen Missverständnisses am Telefon" sei der Verteidiger davon ausgegangen, dass der Angeklagte keine Durchführung des Revisionsverfahrens gewollt habe.
5
Mit weiterem, beim Landgericht am 19. März 2019 eingegangenem persönlichen Schreiben vom 14. März 2019 hat der Angeklagte erneut "die Übersetzung auf Polnisch" erbeten und behauptet, sein Verteidiger habe ihn "angelogen" , indem er wahrheitswidrig erklärt habe, er habe Revision eingelegt.
6
II. Die Anträge auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 StPO) sowie auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44, 45 StPO) bleiben erfolglos. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "1) Der rechtzeitig eingegangene Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist unbegründet, weil das Landgericht mit Beschluss vom 5. März 2019 zu Recht gemäß § 346 Abs. 1 StPO das Rechtsmittel als unzulässig verworfen hat; die Revision hätte bis spätestens 1. März 2019 begründet werden müssen. Entgegen der Auffassung des Verurteilten war die Revisionsbegründungsfrist nicht bis zur Zustellung einer Übersetzung des Urteils in die polnische Sprache gehemmt. Denn gemäß § 345 Abs. 2 StPO beginnt die einmonatige Frist zur Begründung der Revision spätestens mit der Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe. Auf den Eingang einer etwaigen Übersetzung käme es dabei selbst dann nicht an, wenn der Verurteilte einen Anspruch auf Fertigung einer solchen Übersetzung hätte. Dies ist indessen vorliegend schon nicht der Fall, weil der Verurteilte verteidigt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2018 - 4 StR 506/17 -, juris). In diesem Fall wird die effektive Verteidigung des sprachunkundigen Angeklagten dadurch ausreichend gewährleistet, dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung verantwortliche Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt und der Angeklagte die Möglichkeit hat, das Urteil mit ihm - gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Dolmetschers - zu besprechen (BGH, aaO mwN; KK-Diemer, StPO, 8. Aufl., § 187 GVG, Rn 4).
2) Der Widereinsetzungsantrag betreffend die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision ist unzulässig.
a) Aus dem Schreiben des Verteidigers vom 15. März 2019 ergibt sich nicht, dass den Verurteilten kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft. Insoweit fehlt es an der Glaubhaftmachung der zugrundeliegenden Tatsachen; die Behauptung eines „sprachlichen Missverständnisses am Telefon“ vermag den Vortrag der maßgeblichen Gesche- hensabläufe nicht zu ersetzen. Es hätte näherer Darlegung bedurft, worin dieses Missverständnis bestand, insbesondere wäre mitzuteilen und glaubhaft zu machen gewesen , was der Verurteilte im Einzelnen mit seinem Verteidiger besprochen, was dieser wiederum verstanden hatte und wann und wie sich das „Missverständnis“ aufgeklärt hat. Aufgrund der Umstände liegt ein dahingehendes Missverständnis auf Seiten des Verteidigers, er hätte das Rechtsmittel weiterverfolgen und die Revision auch innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO begründen sollen, auch nicht derart nahe, dass Vortrag hierzu entbehrlich gewesen wäre. Denn nach der im Schreiben vom 15. März 2019 dargelegten Auffassung des Verurteilten konnte die Frist zur Begründung der Revision noch gar nicht beginnen, sodass aus seiner Sicht auch nicht die Notwendigkeit bestand, seinen Verteidiger mit der binnen eines Monats zu fertigenden Begründung des Rechtsmittels zu beauftragen. Ein Irrtum des Verurteilten über den Lauf der Rechtsmittelbegründungsfrist wäre ihm aber als Verschulden anzulasten, da ihm nach der Urteilsverkündung , übersetzt in die polnische Sprache, eine Rechtsmittelbelehrung erteilt worden war (vgl. Band III, Bl. 74). Das Schreiben des Verurteilten vom 11. März 2019 (Band III, Bl. 146) deutet ebenfalls nicht auf ein Missverständnis bei der Beauftragung, sondern auf einen Irrtum über den Lauf der Revisionsbegründungsfrist hin. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Darstellung des Verurteilten im weiteren Schreiben vom 14. März 2019 (Band III, Bl. 158), wonach der Verteidiger ihm gesagt habe, die Revision eingelegt zu haben, obwohl dies nicht der Wahrheit entspreche. Dies belegt allenfalls, dass der Verurteilte seinen Verteidiger mit der - später tatsächlich erfolgten - Einlegung des Rechtsmittels beauftragt hat, nicht jedoch, dass er ihn schon zum damaligen Zeitpunkt oder später mit der Begründung der Revision beauftragt hat.
b) Ob der Wiedereinsetzungsantrag auch deshalb unzulässig wäre, weil der Antragsteller nicht ausreichend Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses gemacht hat (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO), kann daher dahingestellt bleiben (vgl. zum Erfordernis entsprechenden Vortrags: Senat, Beschlüsse vom 18. September 2018 - 3 StR 92/18 -, juris; vom 7. Februar 2019 - 3 StR 560/18 -, juris). Insoweit könnten die Abläufe und das Schreiben des Verurteilten vom 11. März 2019 den Schluss darauf zulassen, dass er erst mit Zugang des Beschlusses vom 5. März 2019 von der Nichtweiterverfolgung seines Rechtsmittels Kenntnis erlangt hat."
7
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(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei de

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn d
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Annotations

(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.