Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2010 - 3 StR 115/10

published on 18/05/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2010 - 3 StR 115/10
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 115/10
vom
18. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 18. Mai
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 18. November 2009 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II. 1. bis 3. der Urteilsgründe; jedoch bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
c) soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, versuchter räuberischer Erpressung sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat in den Fällen II. 4. bis 6. der Urteilsgründe zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Seine Verurteilung in den Fällen II. 1. bis 3. der Urteilsgründe kann indes nicht bestehen bleiben, da das Landgericht das konkurrenzrechtliche Verhältnis der Taten des Angeklagten zum Nachteil des Geschädigten H. rechtlich unzutreffend gewürdigt hat.
3
a) Das Landgericht hat festgestellt:
4
Nach dem gemeinsamen Tatplan des Angeklagten und seiner Tatgenossen sollten volljährige Personen mit eigenem Girokonto durch Androhung oder Anwendung von Gewalt dazu gebracht werden, gegen ihren Willen Handyverträge abzuschließen. Die danach erlangten Mobiltelefone sollten sie dem Angeklagten übergeben, der sie zur Finanzierung seines Lebensunterhalts und seines Drogenkonsums an Dritte verkaufen wollte. Nachdem die Komplizen des Angeklagten den Geschädigten H. durch die Androhung von Schlägen in Angst versetzt, in ihre Gewalt gebracht und sodann dem Angeklagten zugeführt hatten, verlangte dieser zunächst, dass der geschädigte Zeuge sich eine - zum Abschluss eines Handyvertrages erforderliche - Bestätigung seiner Sparkasse über das Bestehen eines eigenen Girokontos besorgte. Schon zuvor hatte er erkannt, dass H. nicht freiwillig zu ihm gekommen war und hielt es zumindest für möglich und nahm billigend in Kauf, dass die anderen Tatbeteiligten diesem jedenfalls Gewalt angedroht hatten, um ihn für die Erreichung der gemeinsam geplanten Tatziele gefügig zu machen. Nachdem der Geschädigte die Kontobestätigung erlangt hatte, brachten ihn der Angeklagte und ein weiterer Tatbeteiligter unmittelbar nacheinander in drei Telefonläden. In den ersten beiden Geschäften schloss H. unter dem Eindruck der angedrohten Gewalt gegen seinen Willen nach Anweisung des anwesenden Angeklagten jeweils einen Handyvertrag auf seinen Namen ab. Die beiden ihm überlassenen Mobiltelefone musste er sofort dem Angeklagten aushändigen. In dem dritten Telefonladen lehnte der Angestellte den Abschluss eines Vertrages ab. Danach ließ der Angeklagte den Geschädigten gehen.
5
b) Diesen Sachverhalt hat das Landgericht als drei selbständige Taten - als räuberische Erpressung in zwei Fällen und versuchte räuberische Erpressung - gewürdigt. Dies hält hinsichtlich der konkurrenzrechtlichen Beurteilung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
6
Angesichts des Ausnutzens derselben (vorangegangenen und gegenwärtigen ) Bedrohung des Geschädigten mit der Anwendung von (weiterer) Gewalt bei allen drei Einzelakten des Tatgeschehens, stellt sich das Verhalten des Angeklagten insgesamt als eine Tat im Rechtssinne dar. Der Angeklagte hat ferner auch den Tatbestand des § 239 a Abs. 1 StGB verwirklicht, indem er und seine Tatgenossen - dem gemeinsamen Tatplan entsprechend - sich des Geschädigten bemächtigten, um dessen Sorge um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen. Mit der - durch dieselbe Handlung begangene - Erpressungstat besteht Tateinheit (vgl. BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 1; Fischer , StGB 57. Aufl. § 239 a Rdn. 21 m. w. N.). Eine Änderung des Schuldspruchs durch den Senat kommt mit Blick auf § 265 StPO hier nicht in Betracht. Daher ist die Verurteilung insoweit aufzuheben. Allerdings können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bestehen bleiben. Dass das Landgericht die Tat zum Nachteil des Geschädigten M. ebenfalls nicht (auch) als erpresserischen Menschenraub gemäß § 239 a Abs. 1 StGB gewürdigt hat, beschwert den Angeklagten nicht.
7
c) Der Wegfall der in den Fällen II. 1. bis 3. festgesetzten Einzelstrafen hat die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge. Die zugehörigen Feststellungen sind rechtsfehlerfrei und können aufrechterhalten bleiben.
8
2. Soweit das Landgericht die - sich nach den getroffenen Urteilsfeststellungen aufdrängende - Prüfung und Entscheidung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen hat, kann das angefochtene Urteil ebenfalls keinen Bestand haben.
9
a) Nach den Feststellungen begann der Angeklagte im Alter von 17 Jahren Marihuana zu rauchen. Später nahm er gelegentlich auch Speed und Ecstacy. Nach seinen Angaben in einem früheren Strafverfahren konsumierte er seit dem Jahr 2005 Kokain. Die Vollstreckung der durch Urteil des Amtgerichts Landau am 20. Dezember 2006 verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten wurde nach § 35 BtMG zurückgestellt. Die danach begonnene stationäre Drogentherapie brach der Angeklagte nach einem Monat ab. Eine weitere, nach erneuter Zurückstellung der Strafvollstreckung begonnene (ambulante) Drogentherapie scheiterte. Der Angeklagte selbst hält sich für drogensüchtig. Seinen Anteil an den Erlösen der Handyverkäufe verwendete er - wie die Straf- http://www.juris.de/jportal/portal/t/13op/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE047603301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13op/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE047603301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13op/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE305909005&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13op/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE014403377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13op/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE305709200&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - kammer im angefochtenen Urteil "zu Gunsten des Angeklagten unterstellt" hat - auch zur Finanzierung seines Drogenkonsums.
10
b) Danach war die Prüfung unerlässlich, ob die gegenständlichen Taten auf einen Hang des Angeklagten zurückgehen, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen und ob auch die weiteren Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind. Den bisher getroffenen Feststellungen ist insoweit nicht zu entnehmen, dass die Maßregelanordnung jedenfalls deswegen ausscheiden müsste, weil es an der hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolges (§ 64 Satz 2 StGB) fehlt. Solches folgt insbesondere nicht schon ohne weiteres daraus, dass der Angeklagte zwei frühere Drogentherapien abgebrochen hat, zumal diese nicht im Maßregelvollzug durchgeführt wurden und eine davon überdies eine ambulante Maßnahme war. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5; NStZ-RR 2009, 48 m. w. N.). Er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).
11
Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung in den Fällen II. 4. bis 6. der Urteilsgründe auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte. Diese können deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt bestehen bleiben.
12
3. Zur Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf es der Hinzuziehung eines Sachver- http://www.juris.de/jportal/portal/t/13op/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE014704377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13op/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE014704377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13op/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE070112056&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/13op/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=48&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE070112056&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 - ständigen (§ 246 a StPO). Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung dieser Maßregel gegen den Angeklagten nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben. Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen (vgl. BGH NStZ 2008,

28).

Becker Pfister RiBGH von Lienen befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Ri'in BGH Sost-Scheible befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert Hubert zu unterschreiben. Becker
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb
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published on 02/06/2015 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR80/15 vom 2. Juni 2015 in der Strafsache gegen wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Juni 2015, an der teilgenommen haben:
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.