Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2011 - 2 StR 665/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in elf Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat Erfolg, soweit es die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung betrifft. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- Das Landgericht hat die Voraussetzungen für eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 2 StGB bejaht, aber angenommen, die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe sei zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten (§ 56 Abs. 3 StGB). Die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe in einer Höhe, in der die Strafaussetzung zur Bewährung noch in Betracht kommt, sei mit Blick auf das Alter des Angeklagten "ausschließlich dem Gedanken der Menschlichkeit geschuldet". Gegen einen jüngeren Angeklagten hätte das Gericht eine Gesamtfreiheitsstrafe von erheblich mehr als zwei Jahren verhängt. Die Reduzierung der Strafhöhe mit Rücksicht auf das Alter des Angeklagten könne in dem Fall des sexuellen Missbrauchs der eigenen Enkelin durch den Angeklagten von der Allgemeinheit zwar noch akzeptiert werden, nicht aber ein Verzicht auf deren Vollstreckung.
- 3
- Damit hat das Landgericht einen falschen Maßstab angelegt. Die Strafaussetzung zur Bewährung kann zur Verteidigung der Rechtsordnung nur versagt werden, wenn der Verzicht auf die Vollstreckung der Strafe im Hinblick auf schwer wiegende Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte. Die Gründe für die Versagung der Strafaussetzung zur Verteidigung der Rechtsordnung dürfen nicht dazu führen, dass bestimmte Deliktsgruppen generell von der Möglichkeit der Strafaussetzung ausgenommen werden (vgl. BGHSt 24, 40, 45; Fischer StGB 58. Aufl. § 56 Rn. 16). Dies gilt auch in Fällen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 38). Die Überlegungen des Landgerichts laufen aber auf den Gedanken eines generellen Ausschlusses der Aussetzungsmöglichkeit in Missbrauchsfällen hinaus. Erforderlich ist stattdessen eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung, bei der Tat und Täter umfassend zu würdigen sind (vgl. BGHSt 24, 40, 46; LK/Hubrach StGB 12. Aufl. § 56 Rn. 57). Diese Gesamtwürdigung hat das Landgericht versäumt. Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.
(2) Das Gericht kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aussetzen, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Bei der Entscheidung ist namentlich auch das Bemühen des Verurteilten, den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, zu berücksichtigen.
(3) Bei der Verurteilung zu Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wird die Vollstreckung nicht ausgesetzt, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung sie gebietet.
(4) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Strafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.