Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2002 - 2 StR 55/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten, nachdem der Senat mit Urteil vom 3. Dezember 1997 (2 StR 270/97 = BGHSt 43, 336 ff.) ein freisprechendes Urteil aufgehoben hatte, wegen Herstellens von Arzneimitteln ohne Erlaubnis (§ 96 Nr. 4 AMG) in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Eingezogen hat es "die sichergestellten Chemikalien und Laborgerätschaften (lfd. Nr. im Asservatenbuch : 580/94, 536/94)".Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg, im übrigen ist es im Sinne des § 349 Abs.2 StPO unbegründet.
Zwar hat die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung ausdrücklich zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, daß "die Taten nunmehr sieben bis acht Jahre zurückliegen".
Dies reicht indessen nicht aus, da - wie die Revision zu Recht mit der Verfahrensrüge geltend macht - auch Anlaß zur Prüfung bestand, ob das in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK garantierte Recht des Angeklagten auf gerichtliche Entscheidung in angemessener Zeit verletzt ist. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung stellt einen neben dem Zeitablauf gesondert zu beachtenden wesentlichen Strafmilderungsgrund dar, bei einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist das Ausmaß der vorgenommenen Herabsetzung der Strafe kenntlich zu machen (st. Rspr.: vgl. BVerfG NStZ 1997, 591; BGHSt 46, 160, 172 ff., BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 1, 3, 7, 13 m.w.N.; zuletzt BGH, Urt. vom 21. Februar 2002 - 1 StR 538/01).
Nach der Entscheidung des Senats vom 3. Dezember 1997 lagen die Akten ab 13. Januar 1998 dem Landgericht wieder vor. Trotz wiederholter Hinweise der Staatsanwaltschaft hat die nunmehr zuständige Strafkammer erst am 17. April 2001 Termin zur Hauptverhandlung auf den 21. September 2001 bestimmt. Gründe für eine solche Verzögerung sind aus den Akten nicht zu ersehen. Vor allem auch angesichts der Tatsache, daß die Taten bereits in den Jahren 1993/1994 begangen worden waren, verletzt dieses Vorgehen den An-
spruch des Angeklagten auf eine Entscheidung in angemessener Zeit und hätte im Rahmen der Strafzumessung zusätzlich strafmildernd berücksichtigt werden müssen. Daran fehlt es hier.
Keinen Bestand haben kann auch die Einziehungsanordnung, soweit andere als die der Verurteilung zugrundeliegenden Gegenstände (Nr. 28, 31 und 41 - Asservatenbuch Nr. 580/94) eingezogen worden sind. Die - nach der Aufführung in den angewendeten Vorschriften - wohl auf § 98 AMG gestützte Einziehung der sichergestellten Gegenstände setzt voraus, daû diese sich auf die abgeurteilten Straftaten beziehen. Dem Urteil ist dies - abgesehen von den Nummern 28, 31 und 41 des Asservatenbuchs Nr. 580/94 - nicht eindeutig zu entnehmen. Die dazu getroffene Entscheidung bedurfte deshalb näherer Begründung.
Zur Rüge, hinsichtlich der beim Angeklagten sichergestellten Gegenstände bestünde ein Verwertungsverbot, bemerkt der Senat ergänzend: Der Angeklagte war, was die Revision nicht vorträgt, "mit der Sicherstellung der aufgefundenen Gegenstände einverstanden" (Vermerk der Kriminalabteilung Gieûen vom 20. Juli 1994).
Jähnke Detter Bode Otten Elf
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Annotations
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
entgegen § 4b Absatz 3 Satz 1 ein Arzneimittel abgibt, - 2.
entgegen § 6 Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 2, jeweils auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 3, ein Arzneimittel herstellt, - 3.
entgegen § 8 Abs. 1 Nr. 2, auch in Verbindung mit § 73a, Arzneimittel oder Wirkstoffe herstellt oder in den Verkehr bringt, - 4.
ohne Erlaubnis nach § 13 Absatz 1 Satz 1 oder § 72 Absatz 1 Satz 1 ein Arzneimittel, einen Wirkstoff oder einen dort genannten Stoff herstellt oder einführt, - 4a.
ohne Erlaubnis nach § 20b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 7 Gewebe gewinnt oder Laboruntersuchungen durchführt oder ohne Erlaubnis nach § 20c Abs. 1 Satz 1 Gewebe oder Gewebezubereitungen be- oder verarbeitet, konserviert, prüft, lagert oder in den Verkehr bringt, - 5.
entgegen § 21 Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 35 Absatz 1 Nummer 2, ein Fertigarzneimittel oder ein Arzneimittel in den Verkehr bringt, - 5a.
ohne Genehmigung nach § 21a Abs. 1 Satz 1 Gewebezubereitungen in den Verkehr bringt, - 5b.
ohne Bescheinigung nach § 21a Absatz 9 Satz 1 eine Gewebezubereitung erstmalig verbringt, - 6.
eine nach § 22 Abs. 1 Nr. 3, 5 bis 9, 11, 12, 14 oder 15, Abs. 3b oder 3c Satz 1 erforderliche Angabe nicht vollständig oder nicht richtig macht oder eine nach § 22 Absatz 2 oder 3, jeweils auch in Verbindung mit § 38 Absatz 2 Satz 1, erforderliche Unterlage oder durch vollziehbare Anordnung nach § 28 Absatz 3, 3a, 3b oder Absatz 3c Satz 1 Nummer 2 geforderte Unterlage nicht vollständig oder mit nicht richtigem Inhalt vorlegt, - 7.
entgegen § 30 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 35 Abs. 1 Nr. 2, ein Arzneimittel in den Verkehr bringt, - 8.
entgegen § 32 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 35 Abs. 1 Nr. 3, eine Charge ohne Freigabe in den Verkehr bringt, - 9.
entgegen § 38 Abs. 1 Satz 1 oder § 39a Satz 1 Fertigarzneimittel als homöopathische oder als traditionelle pflanzliche Arzneimittel ohne Registrierung in den Verkehr bringt, - 10.
entgegen § 40 Absatz 1 die klinische Prüfung beginnt, - 11.
entgegen § 40a Satz 1 Nummer 2 oder Nummer 3, auch in Verbindung mit Satz 2, entgegen § 40a Satz 1 Nummer 4 Buchstabe a oder Nummer 5 oder § 40b Absatz 3, Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, Satz 2, Satz 3 oder Satz 9 oder Absatz 5 eine klinische Prüfung durchführt, - 12.
entgegen § 47a Abs. 1 Satz 1 ein dort bezeichnetes Arzneimittel ohne Verschreibung abgibt, wenn die Tat nicht nach § 95 Abs. 1 Nr. 5a mit Strafe bedroht ist, - 13.
entgegen § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 48 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder Nummer 7 oder entgegen § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, Arzneimittel abgibt, - 14.
ohne Erlaubnis nach § 52a Abs. 1 Satz 1 Großhandel betreibt, - 14a.
entgegen § 52c Absatz 2 Satz 1 eine Tätigkeit als Arzneimittelvermittler aufnimmt, - 15.
(weggefallen) - 16.
(weggefallen) - 17.
(weggefallen) - 18.
(weggefallen) - 18a.
(weggefallen) - 18b.
ohne Erlaubnis nach § 72 Absatz 4 Satz 2, § 72b Absatz 1 Satz 3 oder § 72c Absatz 1 Satz 2, auch in Verbindung mit § 72c Absatz 4 Satz 1, dort genannte hämatopoetische Stammzellen, Stammzellzubereitungen, Gewebe oder Gewebezubereitungen einführt, - 18c.
entgegen § 72a Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Absatz 1b oder Absatz 1d, oder entgegen § 72a Absatz 1c ein Arzneimittel, einen Wirkstoff oder einen in den genannten Absätzen anderen Stoff einführt, - 18d.
entgegen § 72b Abs. 2 Satz 1 Gewebe oder Gewebezubereitungen einführt, - 18e.
entgegen § 73 Absatz 1b Satz 1 ein gefälschtes Arzneimittel oder einen gefälschten Wirkstoff in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt, - 19.
ein Arzneimittel in den Verkehr bringt, obwohl die nach § 94 erforderliche Haftpflichtversicherung oder Freistellungs- oder Gewährleistungsverpflichtung nicht oder nicht mehr besteht, - 20.
entgegen Artikel 6 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung der Verfahren der Union für die Genehmigung und Überwachung von Humanarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, in Verbindung mit Artikel 8 Absatz 3 Unterabsatz 1 Buchstabe c, ca Satz 1, Buchstabe d, e, h bis iaa oder Buchstabe ib der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67; L 239 vom 12.8.2014, S. 81), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1243 (ABl. L 198 vom 25.7.2019, S. 241) geändert worden ist, eine Angabe oder eine Unterlage nicht richtig oder nicht vollständig beifügt oder - 21.
gegen die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1) verstößt, indem er - a)
entgegen Artikel 5 Absatz 1 Unterabsatz 1 in Verbindung mit Artikel 25 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe c oder Anhang I Nummer 41 Satz 1 ein Antragsdossier nicht richtig oder nicht vollständig übermittelt oder - b)
entgegen Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe a, c oder Buchstabe e in Verbindung mit Artikel 29 Absatz 1 Satz 1 oder Satz 3, entgegen Artikel 32 Absatz 1 oder Artikel 33 eine klinische Prüfung durchführt.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.