Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Jan. 2009 - 2 StR 541/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Unterschlagung unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem früheren Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die 62-jährige, vielfach vor allem wegen Betruges vorbestrafte Angeklagte und der Mitangeklagte S. , ein Reifenhändler, Gesellschafter einer Bauträger GmbH. Anfang August 2005 leaste die damalige Geschäftsführerin der GmbH, die Zeugin R. , einen Mercedes Benz im Wert von ca. 40.000 Euro, dessen Nutzung in Abspra- che mit dem Leasingunternehmen der auch als Halterin eingetragenen Angeklagten zustand. Wegen nicht gezahlter Leasingraten kündigte das Leasingunternehmen den Vertrag gegenüber der Zeugin R. unter dem 16. Januar 2006 und setzte eine Frist zur Rücklieferung des Fahrzeugs bis zum 26. Januar 2006. Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 wurde auch die Angeklagte, die bereits anderweitig am 20. Januar 2006 von der Kündigung erfahren hatte, aufgefordert , das Fahrzeug zur Abholung bereitzustellen. Diese hatte jedoch schon Anfang Januar 2006 den Entschluss gefasst, das Leasingfahrzeug "verschwinden" zu lassen. In Ausführung dieses Entschlusses gab sie dem Mitangeklagten S. - ohne ihm Einzelheiten mitzuteilen - zu verstehen, das Leasingfahrzeug werde verlustig gehen und er solle den PKW dann als gestohlen melden. Die näheren Umstände des anschließenden Verschwindens des Mercedes Benz konnten nicht aufgeklärt werden. So befand sich das Fahrzeug am 20. Januar 2006 noch im Besitz der Angeklagten. Am 25. Januar 2006 überfuhr der polnische Staatsangehörige W. mit dem PKW die Grenze von Polen nach Litauen und zurück. Zuletzt tauchte das Leasingfahrzeug am 4. Februar 2006 am Grenzübergang Polen/Ukraine auf, als es von einem anderen polnischen Staatsbürger in die Ukraine verbracht wurde; anschließend passierte der Fahrer zu Fuß die Grenze zurück nach Polen. Am 6. Februar 2006 erstattete der Mitangeklagte S. Anzeige mit der wahrheitswidrigen Behauptung, der ihm am 29. Januar 2006 von der Angeklagten zwecks Reifenwechsels übergebene Mercedes sei am 6. Februar zwischen 18.30 und 18.45 Uhr von zwei Ausländern von seinem Werkstattgelände gestohlen worden.
- 3
- 2. Ihre Überzeugung von der Täterschaft der die Tat bestreitenden Angeklagten stützt die Strafkammer maßgeblich auf die entsprechende Einlassung des Mitangeklagten S. , der wegen der von ihm erstatteten falschen Diebstahlsanzeige wegen Vortäuschens einer Straftat zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 25 Euro verurteilt worden ist, sowie u. a. auf die Aussage des Zeugen W. (UA S. 8).
II.
- 4
- Das Urteil hat keinen Bestand, weil die Beweiswürdigung lückenhaft ist.
- 5
- In seiner Antragsschrift vom 25. November 2008 hat der Generalbundesanwalt u. a. ausgeführt:
- 6
- "Die Beweiswürdigung der Strafkammer hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten - Unterschlagung eines Leasingfahrzeuges zum Nachteil der V. AG - auf die Angaben des Mitangeklagten S. gestützt. Die Aussage des Zeugen Hü. , die nach Auffassung der Strafkammer die Täterschaft der Angeklagten H. 'noch erhärtet' (UA S. 11), ist allenfalls ein Indiz für das pflichtwidrige Unterlassen der Rückgabe des Leasingfahrzeuges trotz bekannter Kündigung des Leasingvertrages; diese Zeugenaussage bestätigt aber nicht die belastenden Angaben des Mitangeklagten S. in Bezug auf ein Verschwindenlassen und damit Zueignung des Fahrzeuges durch die Angeklagte. In einem solchen Fall, in dem Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung alleine davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1 und 14). Den an diese Beweiskonstellation - Aussage gegen Aussage - zu stellenden Anforderungen (vgl. BGH Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 4 StR 384/08 -; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1, 14); Meyer-Goßner StPO 51. Auflage § 261 Rdn. 11a) werden die Urteilsgründe nicht gerecht.
- 7
- Rechtlich zu beanstanden ist bereits, dass die Strafkammer sich ausschließlich mit der 'Richtigkeit des Geständnisses' oder dem 'glaubhaften Geständnis des Mitangeklagten' S. (UA S. 9/11) auseinandersetzt, dabei aber offensichtlich in erster Linie das Einräumen der eigenen Täterschaft des Mitangeklagten S. in Bezug auf den Anklagevorwurf 'Vortäuschen einer Straftat' in den Blick nimmt. Dies folgt aus der Erwägung der Strafkammer, der Angeklagte habe während des gesamten Hauptverfahrens deutlich gemacht, dass er seine Rechte sehr gut kenne und sich entsprechend verhalte (UA S. 9). Das Landgericht lässt völlig unbeachtet, dass diese 'geständige Einlassung im Sinne des Anklagevorwurfs zum Einen die Angeklagte H. entscheidend im Sinne der Anklage belastet, zum Anderen aber auch den Mitangeklagten S. selbst entlastet , an der Unterschlagung des Leasingfahrzeuges als Täter oder Mittäter beteiligt gewesen zu sein. Dieses naheliegende Motiv für eine mögliche Falschbelastung der Angeklagten H. hätte die Strafkammer bei der Bewertung der Angaben des Mitangeklagten S. in ihre Erwägungen mit einbeziehen und erörtern müssen, ob sich der Mitangeklagte von einer Falschaussage eine günstigere Beurteilung seiner eigenen strafrechtlichen Verstrickung versprochen hat oder ob es ihm möglicherweise auch darum gegangen sein könnte, andere Hintermänner der Tat zu decken (BGHR StPO § 261 Mitangeklagte 3).
- 8
- Es begegnet zudem durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass die Urteilsgründe keine geschlossene Darstellung der Angaben des Mitangeklagten S. enthalten, die nach Auffassung der Strafkammer die Angeklagte H. 'überführt' haben (UA S. 10/11). Der Hinweis der Strafkammer auf die gegen Ende des Verfahrens erfolgten geständigen Einlassungen des Mitangeklagten S. und dessen geständige Angaben im Ursprungsverfahren 801 Js 21366/06 - 2 Kls jug. genügt nicht. Dies lässt besorgen, dass die Strafkammer weder die 'den geständigen Einlassungen' (UA S. 9) widersprechenden Aussagen des Mitangeklagten zu Beginn der Hauptverhandlung (UA S. 9) noch den Aussageverlauf und die Aussagekonstanz ausreichend in ihre Würdigung mit einbezogen hat. Die geständige Einlassung des Mitangeklagten S. in dem genannten Ursprungsverfahren, das schließlich zur Abtrennung des Verfahrens gegen die Angeklagten S. und H. geführt hat (UA S. 10), wird äußerst knapp wiedergegeben. Offen bleibt, ob der Mitangeklagte auch im Ursprungsverfahren zunächst den Anklagevorwurf 'Vortäuschen einer Straftat' bestritten und erst im Verlauf der Vernehmung eingeräumt hat. Der Tatrichter wäre bei dieser Sach- und Beweislage - insbesondere unter Berücksichtigung einer eigenen Tatbeteiligung des Mitangeklagten - gehalten gewesen, den Verlauf des Aussageverhaltens des Mitangeklagten bei Beschuldigtenvernehmungen im Ermittlungsverfahren und bei richterlichen Vernehmungen im Ursprungsverfahren und in der Hauptverhandlung in dieser Sache für das Revisionsgericht nachvollziehbar und nachprüfbar darzulegen. Darüber hinaus hätte er die das Kerngeschehen berührenden Änderungen der Aussagen des Mitangeklagten S. in einer Gesamtschau daraufhin würdigen müssen, ob sie zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des Tatvorwurfs zu Lasten der Angeklagten H. Anlass geben konnten. Das Einräumen der Täterschaft im Ursprungsverfahren und das Aussageverhalten in der Hauptverhandlung in dieser Sache wären mit Blick auf die Beurteilung der Aussagekonstanz des Mitangeklagten besonders zu beachten gewesen.
- 9
- Rechtlich zu beanstanden sind schließlich die (knappen) Überlegungen der Strafkammer zur inhaltlichen Richtigkeit der geständigen Angaben des Mitangeklagten. Aus welchen Gründen die Kammer schon deshalb keinen Anlass sieht, an der Richtigkeit des Geständnisses zu zweifeln, als der Mitangeklagte während des gesamten Hauptverfahrens sehr deutlich gemacht habe, 'dass er seine Rechte sehr gut kenne und sich entsprechend verhalte' (UA S. 9), ist nicht nachvollziehbar und wird in den Urteilsgründen auch nicht weiter ausgeführt. Die Strafkammer hätte zudem bereits die 'geständigen Angaben' des Mitange- klagten im Ursprungsverfahren einer ausdrücklichen Prüfung und Richtigkeitskontrolle unterziehen müssen. Der Hinweis auf die Zeugin Hüh. - damals Schöffin im Ursprungsverfahren -, die diese Angaben des Mitangeklagten glaubhaft bestätigt habe, vermag eine solche Prüfung nicht zu ersetzen. Nicht nachvollziehbar ist schließlich, aus welchen Gründen die Strafkammer aus der Tatsache , dass das Leasingfahrzeug am 4. Februar 2006 in die Ukraine überführt wurde und seither von dem Fahrzeug jede Spur fehlt (UA S. 10) die Einlassungen des Mitangeklagten als 'ohne weiteres plausibel' beurteilt (UA S. 10). Diese Überlegung vermag die inhaltliche Richtigkeit der Angaben des Mitangeklagten in Bezug auf eine Täterschaft der Angeklagten H. jedenfalls nicht zu belegen. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht wesentliche Gesichtspunkte für die Würdigung der Glaubhaftigkeit einer Aussage wie etwa deren Plausibilität, Detailreichtum und Widerspruchsfreiheit nicht ausreichend bedacht hat."
- 10
- Dem schließt sich der Senat an und weist ergänzend darauf hin, dass die Urteilsgründe auch keine geschlossene Darstellung der Angaben des Zeugen W. enthält. Insbesondere verhält sich das Urteil nicht dazu, wer dem Zeugen W. , der zwar die Angeklagte nicht, wohl aber den Mitangeklagten S. kennt (UA S. 12) am 25. Januar 2006 - nach Kündigung des Leasingvertrags - den Zugriff auf das Leasingfahrzeug ermöglicht hat, um damit nach Polen und nach Litauen zu fahren, bzw. an wen W. das Fahrzeug anschließend zurückgegeben hat.
- 11
- Da sich das Verfahren nur noch gegen eine erwachsene Angeklagte richtet , verweist der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück. Fischer Rothfuß Roggenbuck Appl Schmitt
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.