Bundesgerichtshof Beschluss, 20. März 2018 - 2 StR 531/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu Ziffer 2. auf dessen Antrag – am 20. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 19 Fällen, in drei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und versuchten schweren Bandendiebstahls in zwei Fällen zu Einzelstrafen zwischen einem Jahr und einem Monat und zwei Jahren und neun Monaten sowie zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklag- ten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
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- 2. Hingegen hält der Strafausspruch in den 21 verhängten Einzelstrafen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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- a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Urteil vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 320). Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349).
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- b) Nach diesem Maßstab hat der Strafausspruch keinen Bestand. Die Strafkammer hat bei der Bemessung sämtlicher Einzelstrafen sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, „dass der Angeklagte in Deutschland bereits wegen gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall strafrechtlich vorbelastet ist“. Dies wird von den Feststellungen nicht getragen.
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- Ausweislich der Urteilsgründe ist der Angeklagte erstmalig in der Bundesrepublik Deutschland durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Braunschweig vom 25. April 2017 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls „im besonders schweren Fall“ zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt worden. Die Verurteilung erfolgte nach den verfahrensgegenständlichen Taten dieses Verfahrens, die der Angeklagte zwischen dem 25. Juni 2013 und dem 28. Oktober 2015 beging. Zum Zeitpunkt der ausgeurteilten Taten war der Angeklagte damit in der Bundesrepublik Deutschland nicht vorbestraft.
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- Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler, denn der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne diesen strafschärfenden Gesichtspunkt zu einer milderen Ahndung gelangt wäre, zumal es die einschlägigen und grundsätzlich berücksichtigungsfähigen polnischen Verurteilungen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. November 2016 – 5 StR 485/16, juris; Beschluss vom 19. November 2011 – 4 StR 425/11, NStZ-RR 2012, 305; MK-StGB/Miebach/ Mayer, 3. Aufl., § 46 Rn. 231) ausdrücklich von seiner Strafzumessung ausgenommen hat.
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- c) Die Aufhebung sämtlicher Einzelfreiheitsstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
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- d) Die von der Strafkammer zur Strafzumessung getroffenen Feststellungen werden von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergän- zende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
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- 3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass sich aus den Urteilsgründen nicht erschließt, weshalb das Landgericht im Fall II.21 der Urteilsgründe ohne Hinzutreten weiterer Umstände, augenscheinlich mit Blick auf den Wert des entwendeten Fahrzeugs, die gleiche Einzelstrafe wie in den Fällen II.3 bis II.5, II.17, II.19, II.20 der Urteilsgründe ausgesprochen hat. Dies lässt besorgen, dass es die allein im Fall II.21 erfolgte Sicherstellung und Rückgabe des Fahrzeugs an den Geschädigten bei der Strafzumessung aus dem Blick verloren hat.
- 11
- Zudem kann es den Bestand des Urteils gefährden, wenn das Vorliegen eines vertypten Milderungsgrundes (Fälle II.27 und II.32 der Urteilsgründe) im Zuge der Erörterung eines minder schweren Falles keine Erwähnung findet (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 7. März 2017 – 2 StR 567/16, juris Rn. 6).
Bartel Schmidt
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.