Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2018 - 2 StR 330/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts , zu Ziffer 1. a) und 2. auf dessen Antrag, und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 2. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 (analog) StPO einstimmig beschlossen:
a) die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafen vor der Maßregel und
b) die Aufrechterhaltung der Sperrfrist für die Erteilung der Fahrerlaubnis aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Jülich vom 16. September 2016 – 17 Cs 219/16 – entfallen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Aachen vom 20. Februar 2017 und einem Strafbefehl des Amtsgerichts Jülich vom 16. September 2016 nach Auflösung eines dazu ergangenen Gesamtstrafenbeschlusses zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, eine Kompensationsentscheidung aus dem früheren Urteil sowie eine Sperrfrist für die Erteilung der Fahrerlaubnis aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Jülich aufrechterhalten. Ferner hat es ihn wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Schließlich hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass „der Vorwegvollzug von einem Jahr der verhäng- ten Strafe angeordnet“ wird. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge, soweit er verurteilt wurde. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Strafkammer hat im „Hinblick auf die Höhe der Freiheitsstrafe und die bisherige Dauer der Untersuchungshaft … eine Anordnung gemäß § 67 Abs. 2 StGB dahingehend getroffen, dass ein Teil der mit diesem Urteil verhängten Strafe von drei Jahren und neun Monaten vor der Maßregel zu vollzie- hen ist“. Diese Anordnung kann nicht bestehen bleiben.
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- Zunächst ist die Anordnung bei Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe und einer weiteren Freiheitsstrafe auf beide Strafen zu beziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2010 – 3 StR 499/09, BGHR StGB § 67 Abs. 2 Satz 3 Berechnung 1). Sodann muss der Halbstrafenzeitpunkt im Hinblick auf beide Freiheitsstrafen gemeinsam bestimmt werden, um den Umfang des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 2 StGB zu ermitteln. Der Tatrichter hat den vorweg zu vollziehenden Teil der Strafe nämlich so zu berechnen, dass nach seiner Vollstreckung und einer anschließenden Unterbringung eine Bewährungsentschei- dung im Sinne von § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist (vgl. BT-Drucks. 16/1110 S. 11).
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- Im vorliegenden Fall wäre die Hälfte der beiden (Gesamt-)Freiheitsstrafen nach zwei Jahren und dreieinhalb Monaten vollstreckt. Für den Vorwegvollzug verblieben angesichts der voraussichtlichen Therapiedauer von zwei Jahren nur noch drei Monate und zwei Wochen der Freiheitsstrafen. Die vom Landgericht getroffene Anordnung der Vollziehung von einem Jahr (nur) der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel ist daher rechtsfehlerhaft.
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- Der Senat sieht davon ab, die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weil aufgrund des Zeitablaufs im Hinblick auf die Untersuchungshaft des Angeklagten kein Raum mehr für eine Vollziehung von Freiheitsstrafe vor der Maßregel verbleiben würde. Er erkennt deshalb entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf den Wegfall der Anordnung über den Vorwegvollzug. Jede andere Entscheidung würde der Möglichkeit einer Entlassung des Angeklagten nach Vollstreckung der Hälfte der (Gesamt-)Freiheitsstrafen zuwiderlaufen.
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- 2. Wegen Zeitablaufs muss auch die Einbeziehung der Sperrfrist von acht Monaten für die Erteilung einer Fahrerlaubnis aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Jülich vom 16. September 2016 entfallen.
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- 3. Der geringe Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Beschwerdeführer teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen. Schäfer Eschelbach Zeng Bartel RiBGH Schmidt befindet sich im Urlaub und ist deshalb gehindert zu unterschreiben. Schäfer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.