Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juni 2019 - 2 StR 110/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. Juni 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II.6.a)), gefährlicher Körperverletzung in zwei weiteren Fällen, Diebstahls in zwei Fällen sowie unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs zu Fall II.6.a) der Urteilsgründe sowie des Straf- ausspruchs. Im Übrigen ist es aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen des Landgerichts zu Fall II.6.a) der Urteilsgründe saßen die beiden Afrikaner O. und D. auf einer Bank imHofgarten vor dem B. Universitätsgebäude. Der Angeklagte und seine mindestens sechs Begleiter, die den Hofgarten als „ihr Revier“ betrachteten, umstellten die beiden Afrikaner und forderten sie auf, das Gelände zu verlassen. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Angeklagte ein mitgeführtes Messer mit einer Klingenlänge von 20 cm zog und von O. die Aushändigung seines Handy’s verlangte. Dieser ergriff daraufhin – verfolgtvon dem Angeklagten – die Flucht. Nach wenigen Metern hatte der Angeklagte den Geschädigten eingeholt und stach ihm von hinten mit großer Wucht das Messer in den unteren Rücken neben der Wirbelsäule, woraufhin dieser zusammensackte. Unmittelbar nach der Messerattacke entfernten sich der Angeklagte und seine Begleiter. Der 4,5 cm tiefe Stich hatte zwei Rippenarterien durchtrennt und zu starken inneren Blutungen geführt. Ohne sofortige Notoperation wäre der Geschädigte verstorben.
II.
- 3
- Der Schuldspruch zu Fall II.6.a) wegen versuchter (richtig: besonders) schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat dazu zutreffend ausgeführt: „DasLandgericht hat versäumt, die nach den Feststellungen bestehende Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom unbeendeten Versuch durch freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB in gebotener Weise zu prüfen. Es hat angenommen, der Angeklagte habe den Zeugen O. im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b StGB ‚durch die Tat‘ – d.h.durch die versuchte (besonders) schwere räuberische Erpressung – in die (konkrete) Gefahr des Todes gebracht, indem er ihm die Stichverletzung im Rücken zufügte (vgl. Bl. 16 UA). Dies impliziert, dass der Erpressungsversuch zur Überzeugung der Jugendkammer im Zeitpunkt des Messerstichs aus Sicht des Angeklagten noch nicht beendet und insbesondere auch nicht wegen des Fluchtversuchs des Zeugen O. fehlgeschlagen war. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass es, nachdem der Zeuge O. infolge des Messerstichs zusammengesackt und liegengeblieben war, nach der Vorstellung des Angeklagten (sog. ‚Rücktrittshorizont‘) nicht mehr möglich gewesen wäre, die Tat noch zu vollenden und den Zeugen O. durch weiterenEinsatz des Messers zur Herausgabe (oder zur Duldung der Wegnahme ) seines Mobiltelefons zu nötigen. Feststellungen dazu, aus welchem Grunde der Angeklagte hiervon Abstand nahm, hat das Landgericht nicht getroffen; aus den Urteilsgründen ergibt sich jedenfalls kein äußerer Anlass dafür. Nach dem festgestellten Tathergang ist es vielmehr denkbar, dass es dem Angeklagten in erster Linie gar nicht um das Mobiltelefon, sondern darum ging, den Zeugen O. in irgendeiner Form abzustrafen, weil dieser sich geweigert hatte, den B. Hofgarten zu verlassen, und er dieses Ziel durch den Messerstich vollumfänglich erreicht hatte, so dass ihm die (weiterhin mögliche) Vollendung des Erpressungsversuchs nunmehr entbehrlich erschien. Fälle einer solchen außertatbestandlichen Zielerreichung sind indes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder wegen Fehlschlags noch wegen Unfreiwilligkeit von der Möglichkeit eines Rücktritts ausgeschlossen (vgl. BGHSt 39, 221 ff.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 24 Rn. 9 m.w.Nachw.).“
- 4
- Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II.6.a) bedingt auch die Aufhebung der verhängten Einheitsjugendstrafe.
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.