Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2016 - 2 ARs 211/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 14. Juni 2016 beschlossen:
Gründe:
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- 1. Der Verurteilte befindet sich seit dem 13. September 2011 in Haft. Am 7. März 2013 wurde er in die Justizvollzugsanstalt Ulm in den offenen Vollzug verlegt. Nachdem er von einem Hafturlaub nicht zurückgekehrt war, wurde er am 8. Dezember 2014 in Potsdam festgenommen und zum Zwecke des Rücktransports in die Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel eingeliefert. Der Rücktransport in die Justizvollzugsanstalt Ulm erfolgte am 13. Januar 2015. Am 26. Januar 2015 wurde er in die Justizvollzugsanstalt Offenburg verlegt. Während seines Zwischenaufenthalts in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel richtete der Verurteilte mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 einen Antrag auf bedingte Entlassung zum Halbstrafenzeitpunkt an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam.
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- Die Strafvollstreckungskammern des Landgerichts Potsdam und des Landgerichts Offenburg haben ihre örtliche Zuständigkeit für die nach § 454 Abs. 1 StPO i.V.m. § 57 StGB zu treffende Entscheidung verneint. Das Landgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 15. März 2016 beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen.
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- 2. Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist zurückzuweisen.
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- In einem Streit gemäß § 14 StPO kann der Bundesgerichtshof nur eines der streitenden Gerichte als zuständiges Gericht bestimmen. Die Bestimmung muss unterbleiben, wenn keines der bislang am Streit beteiligten Gerichte zuständig ist (Senat, Beschluss vom 27. September 2000 - 2 ARs 69/00, NStZ 2010, 110; Beschluss vom 19. September 1986 - 2 ARs 206/86, BGHR StPO § 462a Abs. 1, Befasstsein 2 mwN). Beteiligt sind am Streit bislang nur die Strafvollstreckungskammern des Landgerichts Potsdam und des Landgerichts Offenburg.
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- Zuständig für die Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung ist indes die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ulm, denn der Verurteilte war zum Zeitpunkt, in dem er seinen Antrag auf Aussetzung der Reststrafe auf Bewährung anbrachte, in einer zum Bezirk des Landgerichts Ulm gehörenden Justizvollzugsanstalt aufgenommen (§ 462a Abs. 1 Satz 1 StPO):
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- „Aufgenommen“ im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO ist ein Verur- teilter, wenn er sich in der betreffenden Vollzugseinrichtung tatsächlich und nicht nur vorübergehend, wie etwa im Rahmen einer Verschubung, zum Zwecke einer medizinischen Untersuchung oder zum Zwecke einer vorübergehenden medizinischen Behandlung aufhält (KK-StPO/Appl, 7. Aufl. § 462a Rn. 15 mwN). Da der Verurteilte nach seiner Flucht nur vorübergehend in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel zum Zwecke des Rücktransports untergebracht war, war er auch in der Zeit seines dortigen Aufenthalts weiterhin in der Justizvollzugsanstalt Ulm aufgenommen.
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- Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ulm war mit Eingang des Antrags des Verurteilten am 18. Dezember 2014 auch mit der Sache „befasst“ im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO. Dabei ist unschädlich, dass der Antrag an das Landgericht Potsdam gerichtet und zunächst dort eingegangen war. Es genügt, dass der Antrag bei einem Gericht eingegangen ist, das für die Sache zuständig sein kann (vgl. KK-StPO/Appl aaO Rn. 19).
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- Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Ulm blieb auch nach der am 26. Januar 2015 erfolgten Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Offenburg für die Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung zuständig, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits mit dieser Sache „befasst“ im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO war (KK-StPO/Appl aaO Rn. 21). Fischer Appl Eschelbach Ott Bartel
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(1) Die Entscheidung, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll (§§ 57 bis 58 des Strafgesetzbuches) sowie die Entscheidung, daß vor Ablauf einer bestimmten Frist ein solcher Antrag des Verurteilten unzulässig ist, trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und die Vollzugsanstalt sind zu hören. Der Verurteilte ist mündlich zu hören. Von der mündlichen Anhörung des Verurteilten kann abgesehen werden, wenn
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die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt die Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe befürworten und das Gericht die Aussetzung beabsichtigt, - 2.
der Verurteilte die Aussetzung beantragt hat, zur Zeit der Antragstellung - a)
bei zeitiger Freiheitsstrafe noch nicht die Hälfte oder weniger als zwei Monate, - b)
bei lebenslanger Freiheitsstrafe weniger als dreizehn Jahre
der Strafe verbüßt hat und das Gericht den Antrag wegen verfrühter Antragstellung ablehnt oder - 3.
der Antrag des Verurteilten unzulässig ist (§ 57 Abs. 7, § 57a Abs. 4 des Strafgesetzbuches).
(2) Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Vollstreckung des Restes
- 1.
der lebenslangen Freiheitsstrafe auszusetzen oder - 2.
einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen einer Straftat der in § 66 Abs. 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches bezeichneten Art auszusetzen und nicht auszuschließen ist, daß Gründe der öffentlichen Sicherheit einer vorzeitigen Entlassung des Verurteilten entgegenstehen.
(3) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Aussetzung des Strafrestes anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(4) Im Übrigen sind § 246a Absatz 2, § 268a Absatz 3, die §§ 268d, 453, 453a Absatz 1 und 3 sowie die §§ 453b und 453c entsprechend anzuwenden. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird mündlich erteilt; die Belehrung kann auch der Vollzugsanstalt übertragen werden. Die Belehrung soll unmittelbar vor der Entlassung erteilt werden.
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
- 1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind, - 2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und - 3.
die verurteilte Person einwilligt.
(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn
- 1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder - 2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.
(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.
(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.
(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.
(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.
(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.
(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.
(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.
(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.
(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.