Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Sept. 2018 - 2 ARs 151/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Verurteilten am 4. September 2018 beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Antragsteller befindet sich seit dem 26. Januar 2017 ununterbrochen in Strafhaft, zuletzt in der Justizvollzugsanstalt Waldheim / Freistaat Sachsen. Durch Bescheid vom 26. März 2018 ordnete der Leiter der Justizvollzugsanstalt Waldheim die Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Tonna / Freistaat Thüringen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung an. Die Anordnung erfolgte nach Einigung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Europa und dem Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Gegen diese Verlegungsentscheidung beantragte der Verurteilte am 29. März 2018 bei dem Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Chemnitz die gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG verbunden mit dem Antrag, den Vollzug der Verlegung auszusetzen. Am 3. April 2018 erfolgte die Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Tonna.
- 2
- Durch Beschluss vom 27. April 2018 hat sich die Auswärtige Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz örtlich für unzuständig erklärt und das Verfahren gemäß § 83 VwGO, 17, 17a GVG an das Landgericht – Strafvollstreckungskammer – Erfurt verwiesen. Mit Beschluss vom 16. Mai 2018 hat sich das Landgericht Erfurt ebenfalls für nicht zuständig erklärt und hat das Verfahren dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
- 3
- Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen, die Auswärtige Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz als für die Untersuchung und Entscheidung der Sache zuständiges Gericht zu bestimmen.
II.
- 4
- Der Bundesgerichtshof ist zur Entscheidung des zwischen der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer Döbeln und der Strafvollstreckungskammer Erfurt bestehenden Zuständigkeitsstreits gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG, § 14 StPO berufen.
III.
- 5
- Zuständig für die Untersuchung und Entscheidung der Sache ist die Auswärtige Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz.
- 6
- 1. Bei der Verlegungsanordnung des Leiters der Justizvollzugsanstalt Waldheim handelt es sich um eine Maßnahme auf dem Gebiet des Strafvollzuges , die auf Antrag nach § 109 StVollzG der gerichtlichen Überprüfung unterliegt (AK-StVollzG/Weßels/Böning, 7. Aufl., § 16 LandesR Rn. 17; Verrel in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, StVollzG, 12. Aufl., Abschnitt D, Rn. 32 f.) und die gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO mit Einigung der obersten Vollzugsbehörden beider Länder zu erfolgen hatte, da die Maßnahme die Verlegung des Verurteilten in die Vollzugsanstalt eines anderen Bundeslandes vorsieht (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 1995 – 2 ARs 99/95, juris; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 15. März 1996 – 3 Ws 26/96, NStZ-RR 1996, 188, 189).
- 7
- 2. Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte in Strafvollzugssachen richtet sich nach § 110 StVollzG, wonach die Strafvollstreckungskammer zuständig ist, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. Da vorliegend der Leiter der verlegenden Justizvollzugsanstalt die angefochtene Maßnahme im Außenverhältnis gegenüber dem Verurteilten selbst angeordnet hat, ist die Strafvollstreckungskammer am Sitz der Justizvollzugsanstalt Waldheim örtlich zuständig (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 1984 – 2 ARs 403/83, BGHSt 32, 233, 235 f.; AK-StVollzG/Spaniol, aaO, § 110 StVollzG Rn. 2 f.). Dies begründet die Zuständigkeit der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz, die auch nach der zwischenzeitlichen Durchführung der Verlegung bestehen bleibt (vgl. AK-StVollzG/Weßels/Böning, aaO, § 16 LandesR Rn. 17; Arloth/Krä/StVollzG, 4. Aufl., § 110 StVollzG Rn. 4).
- 8
- 3. Die Zuständigkeit der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz ist nicht nachträglich durch ihren Verweisungsbeschluss vom 27. April 2018 entfallen. Eine örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt ist hierdurch nicht bindend begründet worden. Zwar ist ein Beschluss, durch den das Verfahren an eine andere Strafvollstreckungskammer verwiesen wird, entsprechend § 83 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit grundsätzlich bindend (vgl. Arloth/Krä/StVollzG, aaO, § 110 StVollzG Rn. 4). Eine Bindungswirkung tritt jedoch dann nicht ein, wenn die Verweisungsentscheidung willkürlich erscheint, namentlich, wenn eine örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, an die der Rechtsstreit verwiesen worden ist, unter keinem Gesichtspunkt in Betracht kommt oder die Verweisung sonst inhaltlich grob und offensichtlich fehlerhaft ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 2 AR 16/16, BeckRS 2016, 09302 mwN; OLG Celle, Beschluss vom 19. Oktober 2016 – 1 Ws 501/16, BeckRS 2016, 18830 mwN; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler StVollzG, 14. Ed., § 110 Rn. 5). Gemessen hieran erweist sich der Verweisungsbeschluss als willkürlich und offensichtlich fehlerhaft, da eine örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt unter keinem denkbaren Umstand ersichtlich ist. Als verlegende Vollzugsbehörde ist zudem allein die Justizvollzugsanstalt Waldheim in dem gerichtlichen Verfahren in der Lage, die Erwägungen darzulegen , die der Verlegungsentscheidung im Zeitpunkt ihres Erlasses zugrunde lagen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – 2 ARs 398/16, NStZRR 2017, 232; AK-StVollzG/Spaniol, aaO, § 115 StVollzG Rn. 51). Demgemäß ist auch die Justizvollzugsanstalt Waldheim als zuständige Vollzugsbehörde an dem gerichtlichen Verfahren gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG zubeteiligen (vgl. BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 13. Ed., StVollzG § 111 Rn. 2).
Bartel Schmidt
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(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.
(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.
Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.
(1) Kommt die Behörde in den Fällen des § 114 Absatz 2 Satz 2 sowie des § 115 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 der ihr in der einstweiligen Anordnung oder im Beschluss auferlegten Verpflichtung nicht nach, gilt § 172 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Im Übrigen sind die Vorschriften der Strafprozessordnung und die auf der Grundlage des § 32a Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 Nummer 6, des § 32b Absatz 5 und des § 32f Absatz 6 der Strafprozessordnung erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend anzuwenden, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt.
(2) Auf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.
Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.
(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzuges oder des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden. Mit dem Antrag kann auch die Verpflichtung zum Erlaß einer abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme begehrt werden.
(2) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(3) Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann. Über die Bestellung und einen Widerruf entscheidet der Vorsitzende des nach § 110 zuständigen Gerichts.
Über den Antrag entscheidet die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat.
Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.
(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.
(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.
(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.
(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.
(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.
Über den Antrag entscheidet die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat.
(1) Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Der Beschluss stellt den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt zusammen. Wegen der Einzelheiten kann auf in der Gerichtsakte befindliche Dokumente, die nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnen sind, verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt. Das Gericht kann von einer Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(1a) Das Gericht kann anordnen, dass eine Anhörung unter Verzicht auf die persönliche Anwesenheit des Gefangenen zeitgleich in Bild und Ton in die Vollzugsanstalt und das Sitzungszimmer übertragen wird. Eine Aufzeichnung findet nicht statt. Die Entscheidung nach Satz 1 ist nicht anfechtbar.
(2) Soweit die Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht die Maßnahme auf. Ist die Maßnahme schon vollzogen, kann das Gericht auch aussprechen, daß und wie die Vollzugsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, soweit die Sache spruchreif ist.
(3) Hat sich die Maßnahme vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, spricht das Gericht auf Antrag aus, daß die Maßnahme rechtswidrig gewesen ist, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(4) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Anderenfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(5) Soweit die Vollzugsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(1) Beteiligte des gerichtlichen Verfahrens sind
- 1.
der Antragsteller, - 2.
die Vollzugsbehörde, die die angefochtene Maßnahme angeordnet oder die beantragte abgelehnt oder unterlassen hat.
(2) In dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht oder dem Bundesgerichtshof ist Beteiligte nach Absatz 1 Nr. 2 die zuständige Aufsichtsbehörde.