Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2019 - 1 StR 91/18

published on 11/04/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Apr. 2019 - 1 StR 91/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 91/18
vom
11. April 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:110419B1STR91.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11. April 2019 gemäß § 46 Abs. 1 und § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten vom 22. Mai 2018 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Heilung der Mängel einer nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Verfahrensrüge wird zurückgewiesen. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19. Juni 2017 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in elf Fällen und versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und elf Monaten verurteilt. Zwei Monate dieser Gesamtstrafe hat es für vollstreckt erklärt. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die ausgeführte Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Mit Schriftsatz vom 22. Mai 2018 hat er zur Heilung der Mängel einer Verfahrensrüge Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt.
2
1. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig.
3
a) Der Angeklagte hat mit der Revision fristgerecht die zu Unrecht erfolgte Zurückweisung eines Befangenheitsantrags gerügt. Das von ihm angebrachte Befangenheitsgesuch hat er hingegen nicht vollständig vorgetragen, da eine Seite fehlt. Nach Kenntnisnahme der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, in der auf diesen Mangel hingewiesen worden war, hat er Wiedereinsetzung beantragt und die fehlende Seite nachgereicht.
4
b) Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung dient nicht der Heilung von Zulässigkeitsmängeln von fristgemäß erhobenen Verfahrensrügen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wiederholung einer zunächst von Verteidigern nicht formgerecht vorgetragenen und daher unzulässigen Verfahrensrüge widerspräche im Übrigen der Systematik des Revisionsverfahrens. Könnte ein Angeklagter, dem durch die Antragsschrift des Generalbundesanwalts ein formaler Mangel in der Begründung einer Verfahrensrüge aufgezeigt worden ist, diese unter Hinweis auf ein Verschulden seines Verteidigers nachbessern, würde im Ergebnis die Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO außer Kraft gesetzt. Da den Angeklagten selbst an dem Mangel regelmäßig keine Schuld trifft, wäre ihm auf einen entsprechenden Antrag hin stets Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. BGH, Beschluss vom 3. September 1987 – 1 StR 386/87, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 1). Dies stünde nicht mit dem öffentlichen Interesse in Einklang, einen geordneten Fortgang des Verfahrens zu sichern und ohne Verzögerung alsbald eine klare Verfahrenslage zu schaffen (BGH, Beschlüsse vom 21. Februar 1951 – 1 StR 5/51, BGHSt 1, 44, 46 und vom 27. März 2008 – 3 StR 6/08 Rn. 5). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge kommt daher nur in besonderen Prozesssituationen ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. September 1993 – 5 StR 162/93, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 8; vom 15. März 2001 – 3 StR 57/01 Rn. 2; vom 25. September 2007 – 1 StR 432/07, NStZ-RR 2008, 18; vom 27. März 2008 – 3 StR 6/08 Rn. 6 und vom 24. Oktober 2018 – 2 StR 578/16, NStZ-RR 2019, 25; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 44 Rn. 7 ff.). Eine solche Ausnahmesituation liegt nicht vor.
5
Es handelt sich zum einen nicht um einen Übersendungsfehler. Die 215 Seiten umfassende Revisionsbegründungsschrift ist durchgehend nummeriert , alle Seiten sind lückenlos fristgerecht eingereicht worden. Es liegt zum anderen auch kein Fall vor, in dem wegen nicht gewährter Akteneinsicht Verfahrensrügen nicht fristgerecht erhoben werden konnten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 2008 – 3 StR 173/07, NStZ-RR 2008, 282, 283; vom 27. August 2008 – 2 StR 260/08, NStZ 2009, 173, 174 und vom 4. Februar 2010 – 3 StR 555/09 Rn. 2). Der Antragsteller trägt hierzu vor, er habe Akteneinsicht in Form einer pdf-Datei erhalten, hieraus den Ablehnungsantrag in die Revisionsbegründung kopiert und nicht bemerkt, dass die betreffende Seite in der Datei gefehlt habe. Dies stellt jedoch keinen Sachverhalt dar, der ihn wegen fehlender Aktenkenntnis an der formgerechten Erhebung gehindert hätte. Dies gilt schon deswegen, weil es sich um einen von ihm selbst gestellten Antrag handelt und zudem auch keine Bemühungen (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 16. Februar 1990 – 4 StR 663/89, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 5; vom 8. April 1992 – 2 StR 119/92, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 7; vom 3. Dezember 1997 – 3 StR 514/97, BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 12 und vom 15. Februar 2011 – 4 StR 36/11 Rn. 2) um vollständige Akteneinsicht angestellt bzw. dargelegt worden sind. Soweit im Wiedereinsetzungsantrag vorgetragen wird, dass die Erhebung der vollständigen Rüge durch Umstände gehindert worden sei, die der Verteidigung nicht zuzurechnen seien, kann dem aus den aufgezeigten Gründen nicht gefolgt werden. Das Nichtbemerken des Fehlens einer Seite stellt keinen Umstand dar, in dem es zur Wahrung des Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG unerlässlich erscheint, Wiedereinsetzung zur Nachholung von Verfahrensrügen zu gewähren.
6
c) Im Übrigen hätte die erhobene Rüge, selbst wenn sie rechtzeitig formgerecht erhoben worden wäre, keinen Erfolg. Die Behandlung des Ablehnungsgesuchs unter Mitwirkung der abgelehnten Richterin als unzulässig begegnet keinen Bedenken. Die in dem Beschluss dargelegten Umstände wie Verfahrensstand , Zeitpunkt der Anbringung und der Verweis auf die völlige Ungeeignetheit der Begründung rechtfertigen die Behandlung als in Verschleppungsabsicht gestellt, § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 2009 – 1 StR 289/09, wistra 2009, 446 f.; vom 22. Februar 2013 – 2 ARs 377/12 und vom 7. Juli 2015 – 3 StR 66/15, StV 2016, 271, 272). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die abgelehnte Richterin ihr eigenes Verhalten beurteilt hätte.
7
2. Die Revision hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R
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Annotations

(1) Über den Antrag entscheidet das Gericht, das bei rechtzeitiger Handlung zur Entscheidung in der Sache selbst berufen gewesen wäre.

(2) Die dem Antrag stattgebende Entscheidung unterliegt keiner Anfechtung.

(3) Gegen die den Antrag verwerfende Entscheidung ist sofortige Beschwerde zulässig.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht verwirft die Ablehnung eines Richters als unzulässig, wenn

1.
die Ablehnung verspätet ist,
2.
ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht oder nicht innerhalb der nach § 26 Absatz 1 Satz 2 bestimmten Frist angegeben wird oder
3.
durch die Ablehnung offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden sollen.

(2) Das Gericht entscheidet über die Verwerfung nach Absatz 1, ohne daß der abgelehnte Richter ausscheidet. Im Falle des Absatzes 1 Nr. 3 bedarf es eines einstimmigen Beschlusses und der Angabe der Umstände, welche den Verwerfungsgrund ergeben. Wird ein beauftragter oder ein ersuchter Richter, ein Richter im vorbereitenden Verfahren oder ein Strafrichter abgelehnt, so entscheidet er selbst darüber, ob die Ablehnung als unzulässig zu verwerfen ist.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.