Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2007 - 1 StR 646/06

published on 07/03/2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2007 - 1 StR 646/06
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 646/06
vom
7. März 2007
BGHSt: ja
BGHR: ja
___________________________
Bietet die oberste Dienstbehörde nach § 96 StPO die audiovisuelle Vernehmung
eines gesperrten Zeugen an und ist das Gericht von Rechts wegen
gehalten, eine solche Vernehmung durchzuführen, so ist es Aufgabe des Justizministeriums
, gegebenenfalls seiner nachgeordneten Dienststellen, das Gericht
so auszustatten, dass das Verfahren auch durchgeführt werden kann.
BGH, Beschl. vom 7. März 2007 - 1 StR 646/06 - LG Baden-Baden
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. März 2007 beschlossen:
1. Im Fall II. 12 der Gründe des Urteils des Landgerichts BadenBaden vom 31. Juli 2006 wird das Verfahren eingestellt (§ 154 Abs. 2 StPO). Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass er des Betruges in elf Fällen schuldig ist. 3. Der Angeklagte trägt die übrigen Kosten des Rechtsmittels. Der Schriftsatz der Verteidigung vom 7. März 2007 hat dem Senat vorgelegen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in elf Fällen und wegen versuchten Betrugs (Fall II. 12 der Urteilsgründe) unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Lörrach zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und einer weiteren Gesamtstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg.
2
I. Verfahrensrügen
3
1. Die Verfahrensbeschwerden betreffend die Fälle II. 1, 2 und 8 der Urteilsgründe versagen aus den Gründen, die der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift ausführlich dargelegt hat.
4
2. Die Rüge wegen Verletzung der §§ 247, 247a StPO und Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK in Verbindung mit § 338 Nr. 5 StPO richtet sich gegen das Verfahren betreffend den Fall II. 12 der Urteilsgründe. Diesen Fall hat der Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts aus prozessökonomischen Gründen nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Er sieht sich jedoch zu folgenden Ausführungen veranlasst:
5
a) Das Landgericht hat im Fall II. 12 den Beweisantrag des Angeklagten auf Vernehmung des vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg eingesetzten Verdeckten Ermittlers als Zeugen, hilfsweise in Form einer audiovisuellen Vernehmung nach § 247a StPO abgelehnt. Der Verdeckte Ermittler sollte im Einzelnen zu den Gesprächsinhalten eines Treffens mit dem Angeklagten und einer Zeugin und dazu Stellung nehmen, welchen Eindruck der Angeklagte dabei gemacht hatte.
6
Die Strafkammer hat die unmittelbare Vernehmung des Verdeckten Ermittlers im Hinblick auf die Sperrerklärung des Innenministeriums BadenWürttemberg abgelehnt. Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Der Senat teilt allerdings nicht die Bedenken der Strafkammer, auf die sie die Ablehnung der audiovisuellen Vernehmung des Verdeckten Ermittlers gestützt hat, nachdem das Innenministerium Baden-Württemberg in seinem Schreiben vom 16. Juni 2006 im vorliegenden Fall einer solchen Vernehmung unter Beachtung von im Einzelnen dargelegten Schutzmaßnahmen zugestimmt hat.
7
b) Die Ablehnung auch des Hilfsantrages hat das Landgericht wie folgt begründet: „Das Innenministerium hat als oberste Dienstbehörde im Schreiben vom 16.06.2006 sein Einverständnis mit einer solchermaßen durchgeführten Vernehmung nur unter der Maßgabe, dass eine Identifizierung des Verdeckten Ermittlers sicher ausgeschlossen werden kann, und deshalb nur unter bestimmten Schutzmaßnahmen erteilt (nämlich - audiovisuelle Vernehmung an einem geheim gehaltenen Ort; - Verweigerung von Angaben zur Person, Identität und Kriminaltaktik ; - Ausschließung der Öffentlichkeit; - nach Beurteilung des Landeskriminalamtes erforderliche, optische und akustische Verfremdung von Bild und Ton, um eine Identifikation des Verdeckten Ermittlers über Gesichtszüge, wesentliche Elemente des Aussehens und über Stimme und Sprechweise sicher auszuschließen; - Unterlassen einer Bild- und Tonaufzeichnung; - Anwesenheit des Führungsbeamten des Verdeckten Ermittlers am Vernehmungsort; - Verpflichtung der bei der Durchführung der Bild- und Tonübertragung bzw. zur akustischen Verfremdung eingesetzten Personen nach dem Verpflichtungsgesetz). Die Kammer verkennt nicht, dass in diesem beschränkten Umfang von einer Sperrerklärung seitens des Innenministeriums nicht Gebrauch gemacht wurde und unter Berücksichtigung des Aufklärungsgebots des § 244 Abs. 2 StPO und unter dem Gesichtspunkt des bestmöglichen Beweises grundsätzlich die persönliche Befragung eines Zeugen vorzuziehen ist. Doch sind hier die mit einer Beweisaufnahme bedingten Einschränkungen der Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts derart gravierend, dass einer unter den vorgegebenen Bedingungen des Landeskriminalamts durchgeführten audiovisuellen Vernehmung des Verdeckten Ermittlers jedenfalls im konkreten Fall kein weitergehender Beweiswert mehr zukommen würde. Zwar würde eine solche Videosimultanübertragung grundsätzlich nicht der vom Landeskriminalamt für erforderlich erachteten Geheimhaltung der Person des Verdeckten Ermittlers zuwiderlaufen, jedoch würden die audiovisuellen Verfremdungen des Zeugen bzw. seine akustische und optische Abschirmung es nicht mehr erlauben, bei der Simultanübertragung seine verbalen und körperlichen Äußerungen sinngerecht wahrzunehmen und seine Glaubwürdigkeit umfassend zu würdigen. Bei einer dermaßen erheblichen Einschränkung des Unmittelbarkeitsprinzips des § 250 S. 1 StPO ist vorliegend keine weitergehende oder bessere Aufklärung durch eine audiovisuelle Vernehmung zu erwarten , zumal im Hinblick auf die unter Beweis gestellten Tatsachen der Führungsbeamte des Verdeckten Ermittlers, der Zeuge KHK Z. , als Vernehmungsbeamter zu dessen protokollierten Angaben anlässlich dessen polizeilichen Vernehmungen bereits umfassend aussagte und der Angeklagte bzw. sein Verteidiger dabei eingehend von ihrem Fragerecht Gebrauch machten. Im Übrigen ist auch im Hinblick auf die im Antrag unter Beweis gestellten Tatsachen die beantragte audiovisuelle Vernehmung des Verdeckten Ermittlers zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich“.
8
c) Der Senat hat mehrfach entschieden, dass die audiovisuelle Vernehmung einer Gewährsperson in Verbindung mit deren optischer und akustischer Verfremdung das bessere Beweismittel sowohl unter dem Gesichtspunkt der Wahrheitsfindung als auch unter dem der Verteidigungsmöglichkeiten sein kann (BGH NJW 2003, 74; NStZ 2005, 43; zuletzt NStZ 2006, 648 = StV 2006, 682). Die audiovisuelle Vernehmung führt als gangbare Alternative zur völligen Sperrung des Zeugen zu einer sinnvollen Konkordanz zwischen Wahrheitsermittlung , Verteidigungsinteressen und Zeugenschutz (in diesem Sinne bereits Diemer in KK 4. Aufl. § 247a Rdn. 14; Weider StV 2000, 48). Diesen Entscheidungen ist das Innenministerium Baden-Württemberg mit seiner sachgerechten Sperrerklärung vom 16. Juni 2006 gefolgt. Das Ministerium hat insbesondere eine Vernehmung des Verdeckten Ermittlers angeboten, bei der dessen Bild und der Ton seiner Äußerungen so verfremdet werden, dass eine Identifikation über die Gesichtszüge, über sonstige Elemente des Aussehens oder über die Stimme und Sprechweise so sicher ausgeschlossen werden können , dass der Angeklagte nicht einmal für die Dauer der Vernehmung aus dem Sitzungssaal hätte entfernt werden müssen.
9
Dass die Strafkammer angesichts dieser vom Innenministerium angebotenen Vernehmung unter Verwendung solcher technischen Möglichkeiten dennoch gravierende Einschränkungen der Erkenntnismöglichkeiten an- nimmt, die gegenüber der Vernehmung des Führungsbeamten des Verdeckten Ermittlers keinen weitergehenden Beweiswert erwarten ließen, vermag der Senat nicht zu teilen. Insoweit verweist er seine oben genannten Entscheidungen. Die Beachtung dieser Maßstäbe ist auch deshalb geboten, um einen Konventionsverstoß nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK zu vermeiden.
10
Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Tatrichters ist, sich um die hierzu erforderliche technische Ausstattung zu kümmern. Bietet die oberste Dienstbehörde nach § 96 StPO die audiovisuelle Vernehmung eines gesperrten Zeugen, hier eines Verdeckten Ermittlers, an und ist das Gericht von Rechts wegen gehalten, eine solche Vernehmung durchzuführen, so ist es Aufgabe des Justizministeriums, gegebenenfalls seiner nachgeordneten Dienststellen, das Gericht so auszustatten, dass das Verfahren auch durchgeführt werden kann. Auch die technische Durchführung ist Aufgabe der Justizverwaltung.
11
II. Sachrüge
12
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
13
Die beiden vom Landgericht verhängten Gesamtfreiheitsstrafen können bestehen bleiben. Als Folge der auf Antrag des Generalbundesanwalts vorgenommenen Verfahrensbeschränkung im Fall II. 12 der Urteilsgründe entfällt ein Vorwurf des versuchten Betruges, für den die Strafkammer eine Einzelstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe festgesetzt hat.
14
Der Senat kann auch die zweite Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren in zumindest entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1, 1a, 1b StPO bestehen lassen. Zwar betrifft der Fehler hier nicht "nur" die Gesamtstrafenbildung , sondern es liegt auch eine Beschränkung hinsichtlich des Schuldspruchs vor. Angesichts von Zahl und Gewicht der verbleibenden Taten, den für sie ausgeworfenen Einzelstrafen und aller sonstiger im angefochtenen Urteil getroffener für die Strafzumessung bedeutsamer Feststellungen hält der Senat trotz des eingestellten Falles die zweite Gesamtstrafe für angemessen (vgl. auch BGH NStZ-RR 2006, 44; BGH NJW 2005, 912 = StV 2005, 118 jeweils m.w.N.).
Nack Boetticher Hebenstreit Elf Graf
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

moreResultsText


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 31/05/2017 00:00

Tenor I. Soweit das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. III. Die Kostenen
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.

Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Satz 1 gilt entsprechend für Akten und sonstige Schriftstücke, die sich im Gewahrsam eines Mitglieds des Bundestages oder eines Landtages beziehungsweise eines Angestellten einer Fraktion des Bundestages oder eines Landtages befinden, wenn die für die Erteilung einer Aussagegenehmigung zuständige Stelle eine solche Erklärung abgegeben hat.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.

Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; war nach § 222a die Mitteilung der Besetzung vorgeschrieben, so kann die Revision auf die vorschriftswidrige Besetzung nur gestützt werden, wenn
a)
das Gericht in einer Besetzung entschieden hat, deren Vorschriftswidrigkeit nach § 222b Absatz 2 Satz 2 oder Absatz 3 Satz 4 festgestellt worden ist, oder
b)
das Rechtsmittelgericht nicht nach § 222b Absatz 3 entschieden hat und
aa)
die Vorschriften über die Mitteilung verletzt worden sind,
bb)
der rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form geltend gemachte Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung übergangen oder zurückgewiesen worden ist oder
cc)
die Besetzung nach § 222b Absatz 1 Satz 1 nicht mindestens eine Woche geprüft werden konnte, obwohl ein Antrag nach § 222a Absatz 2 gestellt wurde;
2.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war;
3.
wenn bei dem Urteil ein Richter oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist;
4.
wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat;
5.
wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat;
6.
wenn das Urteil auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
7.
wenn das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält oder diese nicht innerhalb des sich aus § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 ergebenden Zeitraums zu den Akten gebracht worden sind;
8.
wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt worden ist.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden vernommen wird, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 2 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

(2) Das Gericht kann anordnen, dass die Vernehmung eines Sachverständigen in der Weise erfolgt, dass dieser sich an einem anderen Ort als das Gericht aufhält und die Vernehmung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich der Sachverständige aufhält, und in das Sitzungszimmer übertragen wird. Dies gilt nicht in den Fällen des § 246a. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.

Die Vorlegung oder Auslieferung von Akten oder anderen in amtlicher Verwahrung befindlichen Schriftstücken durch Behörden und öffentliche Beamte darf nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dieser Akten oder Schriftstücke dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Satz 1 gilt entsprechend für Akten und sonstige Schriftstücke, die sich im Gewahrsam eines Mitglieds des Bundestages oder eines Landtages beziehungsweise eines Angestellten einer Fraktion des Bundestages oder eines Landtages befinden, wenn die für die Erteilung einer Aussagegenehmigung zuständige Stelle eine solche Erklärung abgegeben hat.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.