Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2020 - 1 StR 583/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 29. Januar 2020 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt; von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat das Landgericht abgesehen.
- 2
- Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichenTeilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- 1. Die Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB ist durchgreifend rechtsfehlerhaft, weil sich anhand der vom Landgericht getroffenen, widersprüchlichen Feststellungen nicht beurteilen lässt, ob das sachverständig beratene Landgericht einen Hang des Angeklagten, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen (vgl. zu den Voraussetzungen: BGH, Beschluss vom 9. Januar 2019 – 1 StR 602/18 Rn. 12 f. mwN), rechtsfehlerfrei abgelehnt hat.
- 4
- Das Landgericht hat einen solchen Hang „im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen auch im Hinblick auf die übrigen Feststellungen“ (UA S. 51) verneint und sich insoweit auch die Einschätzung des Sachverständigen , der Angeklagte habe sich zu seinem Betäubungsmittelkonsum divergierend geäußert (UA S. 40, 50), zu eigen gemacht. Das Vorliegen eines Hangs drängte sich aber angesichts der im Rahmen der persönlichen Verhältnisse (UA S. 5) getroffenen Feststellungen auf, die sich allerdings nicht ohne weiteres mit den Ergebnissen der Blut- und Haaranalyse sowie der körperlichen Untersuchung des Angeklagten und seinen Krankenunterlagen aus der Justizvollzugsanstalt (UA S. 39, 42) vereinbaren lassen.
- 5
- Insoweit weist der Senat darauf hin, dass die Angaben eines Angeklagten in der Hauptverhandlung (und gegenüber dem Sachverständigen) zu seiner Person, insbesondere auch, soweit sie Anknüpfungstatsachen der Voraussetzungen des § 64 StGB bilden, nicht ohne weiteres ungeprüft übergenommen werden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 5 StR 411/04 Rn. 18, BGHSt 49, 365, 371 zu den Anknüpfungstatsachen der Spielsucht).
- 6
- 2. Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss daher – wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. z.B.: BGH, Beschluss vom 23. Juli 2019 – 1 StR 62/19 Rn. 8 mwN), in der er die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen hatte.
Vorinstanz:
Weiden (Opf), LG, 13.08.2019 - 24 Js 9085/18 1 KLs
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.