Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Jan. 2014 - 1 StR 562/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen in Tatmehrheit mit versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub in Tatmehrheit mit uneidlicher Falschaussage zu einer (Gesamt-)Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Daneben hat es Verfall von Wertersatz in Höhe von 4.500 Euro angeordnet. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
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- 1. Das Urteil ist insgesamt angefochten.
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- Die in der Revisionsbegründung des Pflichtverteidigers enthaltene Beschränkung der Revision, nach der die Verurteilung des Angeklagten im Fall 4 der Urteilsgründe wegen falscher uneidlicher Aussage (§ 153 StGB) von der Anfechtung ausgenommen sein sollte, ist nicht wirksam. Zwar handelt es sich bei dieser Beschränkung nicht – wie vom Wahlverteidiger angenommen – um eine Revisionsrücknahme. Vielmehr wurde der Umfang der Revision des Angeklagten erst durch die Revisionsbegründungsschrift des Pflichtverteidigers rechtlich bindend festgelegt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juni 1991 – 4 StR 105/91, BGHSt 38, 4). Die Revisionsbeschränkung ist jedoch unwirksam, weil die Voraussetzungen einer teilweisen Anfechtbarkeit des Urteils insoweit nicht vorliegen.
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- Eine Teilanfechtung setzt voraus, dass sie sich auf einen abtrennbaren Teil des Urteils bezieht und die übrigen Tatvorwürfe losgelöst und getrennt von diesem Fall beurteilt werden können (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 29. Februar 1956 – 2 StR 25/56, BGHSt 10, 100). Das ist hier nicht der Fall. Der Angeklagte wurde im Fall 4 der Urteilsgründe deshalb verurteilt, weil er in der Hauptverhandlung gegen K. bestritten hatte, zusammen mit dem Zeugen C. von K. Haschisch gekauft und dabei gewesen zu sein, als eine größere Menge Haschisch an K. übergeben worden sei (UA S. 10). Die Haschischerwerbe bei K. sind aber Gegenstand der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen 1 und 3 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Ob der Angeklagte diese Taten begangen hat und sich deshalb (nach Belehrung gemäß § 55 StPO) im Strafverfahren gegen K. einer uneidlichen Falschaussage schuldig gemacht hat, kann hier aber nur einheitlich beurteilt werden. Denn hat er die von ihm bestrittenen Taten nicht begangen, hat er insoweit durch Bestreiten seiner Tatbeteiligung im Verfahren gegen K. auch keine falschen Angaben gemacht, die eine Verurteilung gemäß § 153 StGB rechtfertigen könnten.
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- 2. Die Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, das Landgericht habe nicht in die Hauptverhandlung eingeführt, dass mit dem Zeugen C. in dessen Verfahren als Angeklagten eine Verfahrensabsprache getroffen worden ist, welche die Benennung weiterer Tatbeteiligter zum Gegenstand hatte.
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- a) Der zulässig erhobenen Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) liegt folgendes Geschehen zugrunde:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe wegen Taten im Zusammenhang mit Betäubungsmittelgeschäften verurteilt , die der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen gemeinsam mit dem Zeugen C. begangen hat. Im Fall 4 der Urteilsgründe hat das Landgericht als uneidliche Falschaussage des Angeklagten gewertet, dass der Angeklagte im Verfahren gegen den Rauschgiftlieferanten K. seine Beteiligung an den Rauschgiftgeschäften mit diesem bestritten hatte.
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- Seine Überzeugung vom Ablauf der Betäubungsmittelgeschäfte, einer damit zusammenhängenden räuberischen Erpressung u.a. (Fall 2 der Urteilsgründe ) sowie von der Täterschaft des Angeklagten stützt das Landgericht maßgeblich auf die Angaben des Zeugen C. als Mittäter des Angeklagten bei diesen Taten. Im Rahmen der Würdigung der Glaubhaftigkeit der Angaben dieses Zeugen berücksichtigt das Landgericht, dass C. die ihm zur Last gelegten Taten zwar zunächst bestritten habe, in der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung aber eingeräumt und den Angeklagten als Geldgeber für den Rauschgiftkauf bezeichnet habe. Die ohne Belastungseifer gemachten Aussagen des Zeugen wiesen eine deutliche Aussagekonstanz sowie erheblichen Detailreichtum auf, enthielten Realkennzeichen und würden durch die Aussagen weiterer Zeugen bestätigt (UA S. 16 f.).
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- Keine Erwähnung in den Urteilsgründen findet der der Strafkammer bekannte Umstand, dass der Zeuge C. den Angeklagten erstmals als seinen Begleiter benannte, nachdem in der gegen ihn unter derselben Vorsitzenden geführten Hauptverhandlung eine Verständigung stattgefunden hatte. Darin war zwischen den Verfahrensbeteiligten vereinbart worden, was auch in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommen wurde, dass C. im Falle eines umfas- senden Geständnisses „sowie bei Offenlegung eines weitergehenden Betäu- bungsmittelgeschäftes sowie Benennung weiterer Tatbeteiligter zu einer Ge- samtfreiheitsstrafe von nicht mehr als vier Jahren verurteilt werde“.
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- b) Bei dieser Sachlage musste es sich dem Landgericht aufdrängen, dass es die mit dem Zeugen C. in dessen Verfahren getroffene Verfahrensabsprache in die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten einführen und C. s Aussage auch vor dem Hintergrund dieser Verfahrensabsprache würdigen musste. Denn bei der Aussage des Zeugen C. handelte es sich auch aus Sicht des Landgerichts trotz der die Richtigkeit dieser Aussage stützenden Angaben weiterer Zeugen um eine für das Verfahren entscheidungserhebliche Zeugenaussage, zumal das Landgericht nicht allen Zeugen glaubt. Die Verständigung im Verfahren gegen den Zeugen C. war vom Landgericht zu würdigen, weil es sich um eine Verfahrensabsprache zu Lasten Dritter (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 6. November 2007 – 1 StR 370/07, BGHSt 52, 78, 83 und Urteil vom 29. November 2011 – 1 StR 287/11, wistra 2011, 180 Rn. 14) und damit auch des Angeklagten handelte. Das Landgericht hatte deshalb zu prüfen, ob der Zeuge C. in seinem eigenen Verfahren irrig geglaubt haben könnte, eine Falschaussage zu Lasten des Angeklagten sei für ihn günstiger als wahre Angaben (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2012 – 1 StR 438/11, StV 2012, 393 und vom 15. Januar 2003 – 1 StR 464/02, BGHSt 48, 161, 168) und ob er im Verfahren gegen den Angeklagten nur deshalb bei die- ser Aussage geblieben ist, um sich nicht selbst zu widersprechen, obwohl das gegen ihn geführte Verfahren bereits abgeschlossen war. Da die Möglichkeit eines solchen Irrtums nicht davon abhängt, ob die Verfahren gegen C. und den Angeklagten verbunden waren oder nicht, bestand die Notwendigkeit der Würdigung der Verständigung unabhängig davon, ob diese mit einem anderen Tatbeteiligten im selben oder in einem anderen Verfahren stattgefunden hat. Was zu würdigen ist, muss auch in die Hauptverhandlung eingeführt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 – 1 StR 438/11, StV 2012, 393).
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- c) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Würdigung der mit dem Zeugen C. in dessen Strafverfahren getroffenen Verfahrensabsprache dessen den Angeklagten belastender Aussage in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten geringeres Gewicht beigemessen und hinsichtlich aller vier dem Angeklagten zur Last liegenden Taten zu einer anderen Überzeugung gelangt wäre. Zwar hat das Landgericht die Verurteilung des Angeklagten nicht allein auf die Aussage des Zeugen gestützt; vielmehr hat es seine Überzeugung aus einer Gesamtwürdigung mehrerer Zeugenaussagen geschöpft. Jedoch wird deutlich, dass das Landgericht der Aussage des Zeugen C. als unmittelbar Tatbeteiligtem zentrale Bedeutung für die Überzeugungsbildung beigemessen hat. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer tatrichterlicher Aufklärung und Entscheidung.
- 12
- 3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf die Vorschrift des § 157 Abs. 1 StGB hin. Denn, sollte das neue Tatgericht wieder zu denselben Feststellungen hinsichtlich der Betäubungsmitteldelikte gelangen, liegt es nahe, dass der Angeklagte im Verfahren gegen K. nur deshalb die Unwahrheit gesagt hat, um von sich die Gefahr abzuwenden, wegen dieser Delikte bestraft zu werden.
RinBGH Cirener ist erkrankt und deshalb an der Unterschriftsleistung verhindert. Jäger Raum
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(1) Jeder Zeuge kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem der in § 52 Abs. 1 bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
(2) Der Zeuge ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.
Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
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eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
(1) Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineids oder einer falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) und im Falle uneidlicher Aussage auch ganz von Strafe absehen, wenn der Täter die Unwahrheit gesagt hat, um von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr abzuwenden, bestraft oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung unterworfen zu werden.
(2) Das Gericht kann auch dann die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder ganz von Strafe absehen, wenn ein noch nicht Eidesmündiger uneidlich falsch ausgesagt hat.