Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2013 - 1 StR 557/12

bei uns veröffentlicht am14.05.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 557/12
vom
14. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Betrug
hier: Gegenvorstellung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Mai 2013 beschlossen:
Sämtliche Anträge des Verurteilten werden zurückgewiesen.

Gründe:

1
Der Senat hat nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO die Revision des Angeklagten am 22. Januar 2013 verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Dieser Beschluss ging ihm, wie er vorträgt, am 18. Februar 2013 zu. In der Zwischenzeit hatte der Rechtspfleger (§ 299 StPO) am 24. Januar 2013 noch eine Erklärung des Angeklagten zu Protokoll genommen, worin dieser eine menschenrechtswidrige Verfahrensverzögerung geltend machte. Die Akten seien nämlich erst am 23. Oktober 2012 beim Generalbundesanwalt eingegangen, obwohl sie der Staatsanwaltschaft schon ab 20. September 2012 zur Weiterleitung vorgelegen hätten.
2
Am 4. März 2013 ging beim Bundesgerichtshof eine Gegenvorstellung des Verurteilten ein, mit der er - ergänzt durch eine Reihe nachfolgend eingegangener weiterer umfangreicher Schriftsätze - die Aufhebung des Beschlusses vom 22. Januar 2013 und Vollstreckungsaufschub beantragt.
3
Hinsichtlich des Protokolls vom 24. Januar 2013 trägt er vor, er habe auf Grund einer Auskunft seines Verteidigers nicht damit gerechnet, dass über seine Revision vor Ende Februar 2013 entschieden würde. Außerdem habe er bereits einige Zeit vor dem 24. Januar 2013 beantragt, dem Rechtspfleger vorgeführt zu werden.
4
Darüber hinaus ist im Wesentlichen dargelegt, warum sowohl das Urteil des Landgerichts als auch der Beschluss des Senats falsch seien. Die auch im Übrigen vielfach fehlerhaften Feststellungen hingen (auch) mit gekauften Zeugen zusammen, es liege eine Vielzahl von Fälschungen vor, letztlich sei nicht er Täter, sondern dies seien die Richter der Strafkammer und ein Oberstaatsanwalt.
5
Das Vorbringen ist insgesamt unbehelflich.
6
Unter welchen jedenfalls sehr ungewöhnlichen Voraussetzungen eine Gegenvorstellung ausnahmsweise zur Aufhebung einer rechtskräftigen Entscheidung führen kann (vgl. hierzu Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 296 Rn. 10 mwN), kann hier offen bleiben, da das Vorbringen des Verurteilten als Grundlage einer solchen Entscheidung - offensichtlich - nicht in Betracht kommt.
7
Soweit es - zumindest in Teilen - als Anhörungsrüge (§ 356a StPO) zu werten sein könnte (§ 300 StPO), führte es - auch abgesehen davon, dass die dann erforderlichen formalen Anforderungen (z.B. hinsichtlich Fristwahrung und Glaubhaftmachung) nicht erfüllt sind - zu keinem anderen Ergebnis. Der Senat hat seiner Entscheidung nichts zu Grunde gelegt, wozu der Angeklagte nicht gehört worden wäre, und auch sonst rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt: Unabhängig davon, dass im Blick auf Vorbringen, das bei der nach Ablauf sämtlicher gesetzlicher Fristen erfolgten Entscheidung des Revisionsgerichts noch nicht abgegeben war, regelmäßig rechtliches Gehör nicht verletzt sein kann (vgl. zusammenfassend Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 356a Rn. 2 mwN), wäre der erst am 24. Januar 2013 zu Protokoll genommene Vortrag nämlich auch dann nicht entscheidungserheblich gewesen, wenn er dem Senat vorgelegen hätte. Der hinsichtlich der Aktenübersendung geschilderte Verfahrensgang hat offensichtlich nicht zu einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung geführt (zum Maßstab für die Annahme einer solchen Verfahrensverzögerung im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Aktenübersendung an den Generalbundesanwalt vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2008 - 5 StR 283/08).
8
Dass hier für die Anordnung eines Vollstreckungsaufschubs durch den Senat kein Raum ist, bedarf keiner näheren Darlegung. Wahl Graf Jäger Cirener Radtke

Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2013 - 1 StR 557/12

Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2013 - 1 StR 557/12

Referenzen - Gesetze

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 356a Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einer Revisionsentscheidung


Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der

Strafprozeßordnung - StPO | § 300 Falschbezeichnung eines zulässigen Rechtsmittels


Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

Strafprozeßordnung - StPO | § 299 Abgabe von Erklärungen bei Freiheitsentzug


(1) Der nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte kann die Erklärungen, die sich auf Rechtsmittel beziehen, zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts geben, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, wo er auf behördliche Anordnung verwahrt wird
Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2013 - 1 StR 557/12 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 356a Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einer Revisionsentscheidung


Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der

Strafprozeßordnung - StPO | § 300 Falschbezeichnung eines zulässigen Rechtsmittels


Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

Strafprozeßordnung - StPO | § 299 Abgabe von Erklärungen bei Freiheitsentzug


(1) Der nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte kann die Erklärungen, die sich auf Rechtsmittel beziehen, zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts geben, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, wo er auf behördliche Anordnung verwahrt wird

Referenzen - Urteile

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2013 - 1 StR 557/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2013 - 1 StR 557/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juli 2008 - 5 StR 283/08

bei uns veröffentlicht am 23.07.2008

5 StR 283/08 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 23. Juli 2008 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2008 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil d
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Mai 2013 - 1 StR 557/12.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Sept. 2013 - 4 StR 247/13

bei uns veröffentlicht am 10.09.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 247/13 vom 10. September 2013 in der Strafsache gegen wegen Diebstahls u.a. hier: "Gegenvorstellungen" gegen den Senatsbeschluss vom 30. Juli 2013 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. September

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte kann die Erklärungen, die sich auf Rechtsmittel beziehen, zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts geben, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, wo er auf behördliche Anordnung verwahrt wird.

(2) Zur Wahrung einer Frist genügt es, wenn innerhalb der Frist das Protokoll aufgenommen wird.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.

5 StR 283/08

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 23. Juli 2008
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2008

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 13. Juni 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO dahin ergänzt, dass von der verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten zwei Monate Freiheitsstrafe als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten.
Die weitergehende Revision gegen das genannte Urteil wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Das Urteil ist lediglich um eine Kompensation für einen Konventionsverstoß zu ergänzen. Nach Eingang der Revisionsbegründung des Beschwerdeführers (allgemeine Sachrüge) beim Landgericht am 17. September 2007 ist seitens der Justizbehörden das Gebot zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt worden. Ohne erkennbaren sachlichen Grund ist die Übersendung der Strafakten an den Generalbundesanwalt, bei dem die Akten am 30. Mai 2008 eingegangen sind, erst am 20. Mai 2008 veranlasst worden. Durch diese verzögerte Sachbehandlung ist eine unangemessene Verfahrensverzögerung von rund fünf Monaten eingetreten. Über die Kompensation kann der Senat in entspre- chender Anwendung von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO selbst entscheiden (BGH NStZ-RR 2008, 208, 209), wobei der Senat an einer Entscheidung durch Beschluss (BGHR StPO § 354 Abs. 1a Verfahren 3) durch den vom Generalbundesanwalt hier höher bemessenen Abschlag nicht gehindert ist (Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 354 Rdn. 29). Der Senat stellt fest, dass von der verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten zwei Monate als Entschädigung für die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gelten. Eine weitergehende Kompensation erscheint nicht angemessen im Sinne von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO und kommt daher nicht in Betracht (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 208, 209).
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