Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Jan. 2001 - 1 StR 542/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen - unter Freisprechung im übrigen - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es ihr die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist für deren Neuerteilung festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Revision der Angeklagten rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Sie beanstandet insbesondere, daß dasLandgericht von der Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet; der Rechtsfolgenausspruch unterliegt hingegen der Aufhebung. 1. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgelehnt hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Insoweit weist das Urteil einen unauflösbaren Widerspruch aus; es leidet zudem an einem Erörterungsmangel. Die Strafkammer verneint einen Hang der Angeklagten "im Sinne einer Abhängigkeit", Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren (UA S. 26 unten). An anderer Stelle der Urteilsgründe führt sie hingegen aus, die Angeklagte sei durch "ihre eigene Rauschgiftabhängigkeit zu den Taten wenigstens mitveranlaßt" worden (UA S. 24; siehe auch UA S. 20). Das läßt sich nicht in Einklang bringen. Darüber hinaus ist die Würdigung des Landgerichts unvollständig. Für die Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB kann auch eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, genügen. Diese Neigung muß noch nicht den Grad physischer Abhängigkeit erreicht haben (vgl. nur BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 4, 5). Die Kammer spricht diesen Maßstab zwar an; sie würdigt den Sachverhalt aber nicht entsprechend. Der bloße Hinweis auf zeitlich zurückliegende Phasen der Abstinenz und auf fehlende Entzugserscheinungen nach dem Absetzen der Drogen genügte dazu hier nicht. Immerhin hatte die Angeklagte seit ihrem 15. Lebensjahr Betäubungsmittel genommen, darunter von Beginn an auch Heroin. Nach der Trennung von ihrem Freund, um dessentwillen sie vorüber-
gehend dem Konsum entsagt hatte, nahm sie wiederum Drogen ein, zuletzt täglich Kokain. Der Verbrauch belief sich auf 10 g jeweils in zwei Wochen (UA S. 6). Bei dieser Sachlage bedurfte es der näheren Erörterung, ob und gegebenenfalls weshalb hier keine auf einer psychischen Disposition oder durch Übung erworbene intensive Neigung vorgelegen haben soll, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Dazu verhält sich das Urteil nicht. Das Ergebnis versteht sich auch nicht von selbst. In diesem Zusammenhang kann auch der von der Strafkammer angestellten Erwägung nicht ohne weiteres tragfähige Bedeutung zukommen, daß die Angeklagte nach dem Absetzen der Drogen keine Entzugserscheinungen verspürt habe (UA S. 26 unten ); solche seien nicht einmal nach ihrer Inhaftierung aufgetreten (UA S. 21; siehe auch UA S. 6). Das ist im Blick auf den Kokain-Konsum der Angeklagten in der Zeit vor ihrer Festnahme nur begrenzt aussagefähig; denn bei reiner Kokainabhängigkeit treten nach dem Stand der medizinischen Erkenntnis körperliche Entzugserscheinungen kaum auf (vgl. nur Nedopil, Forensische Psychiatrie 2. Aufl. S. 111/112). Daß die Angeklagte im Jahr vor ihrer Festnahme auch wieder andere Betäubungsmittel, etwa Heroin genommen hätte, lassen die Urteilsgründe nicht erkennen; die Strafkammer stellt lediglich fest, sie habe "wieder Drogen konsumiert" und zuletzt täglich Kokain geschnupft (UA S. 6). 2. Die Sache bedarf danach insoweit erneuter tatrichterlicher Prüfung. Der etwaigen Nachholung einer Unterbringungsanordnung steht nicht entgegen , daß nur die Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; vgl. BGHSt 37, 5). Sie hat die Nichtanwendung des § 64 StGB ausdrücklich beanstandet (siehe auch BGHSt 38, 362; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5). Der Senat hebt den gesamten Rechtsfolgenausspruch auf. Er kann nicht sicher ausschließen, daß eine Anordnung der Unterbringung in der Entzie-
hungsanstalt Einfluß auf die übrigen Rechtsfolgen haben könnte (vgl. BGHR StGB § 64 Ablehnung 6). Schäfer Wahl Schluckebier Hebenstreit Schaal
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.