Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2000 - 1 StR 533/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Der Angeklagte wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Am 15. Dezember 1996 verletzte der angetrunkene Angeklagte den ebenfalls angetrunkenen H. bei einer Rauferei auf der Straße mit zwei Messerstichen. Der Angeklagte war H. gefolgt, nachdem dieser den ihm bis dahin unbekannten Angeklagten in einer Gaststätte grundlos durch "Pöbeleien" provoziert hatte und deshalb hinaus gewiesen worden war. Während die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen zum Schuldspruch erfolglos bleibt (§ 349 Abs. 2 StPO), kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben (§ 349 Abs. 4 StPO).1. Die Strafkammer hat zu Gunsten des Angeklagten erwogen, daß H. durch sein Verhalten im Lokal die Rauferei "ebenfalls provoziert" hat, gleichzeitig aber zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, daß die Tat auf eine "grundlose Racheaktion" des Angeklagten zurückgehe. Diese Erwägungen sind unvereinbar, da eine Rauferei nicht gleichzeitig (auch) vom Opfer provoziert und vom Täter grundlos herbeigeführt sein kann. Schon dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. 2. Der Senat weist auf folgendes hin:
a) Die Strafkammer hat strafmildernd berücksichtigt, daß die Tat lange zurückliegt und der Angeklagte die Dauer des Verfahrens nicht zu vertreten hat. Insoweit ergeben die Urteilsgründe, daß der Angeklagte in dieser Sache bereits am 9. Juli 1997 vom Schöffengericht Dachau verurteilt worden war; nach beiderseitigen Berufungen verwies die Berufungsstrafkammer die Sache durch Urteil vom 4. Dezember 1999 an die Schwurgerichtskammer, vor der die Hauptverhandlung am 21. August 2000 begann. Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer insgesamt eine von Justizorganen zu vertretende erhebliche, schwerwiegende Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes feststellen, läge neben den genannten Gesichtspunkten ein weiterer selbständiger Strafmilderungsgrund vor. In diesem Fall wäre das Maß der Kompensation durch Vergleich der an sich verwirkten mit der tatsächlich verhängten Strafe ausdrücklich und konkret zu bestimmen (st.Rspr., vgl. zusammenfassend BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 13 m.w.N.).
b) Schließlich wird auch zu beachten sein, daß Strafzumessungserwägungen um so eingehender zu sein haben, je knapper die verhängte Strafe eine an sich noch bewährungsfähige Strafe übersteigt (BGH StV 1992, 462,
463; Beschluß vom 21. September 2000 - 1 StR 392/00; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 618a m.w.N.). Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Kolz
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.