Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Sept. 2011 - 1 StR 398/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 20 Fällen unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr aus einer Vorverurteilung durch das Amtsgericht Augsburg vom 20. November 2007 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
- 2
- 1. Die gegen die Verurteilung gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist hinsichtlich des Schuldspruchs und der Einzelstrafen unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- 2. Jedoch hält die Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand (§ 349 Abs. 4 StPO).
- 4
- a) Das Landgericht hat nicht erörtert, ob die gegen den Angeklagten durch das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2. Juli 2007 verhängte Geldstrafe , rechtskräftig seit dem 20. Juli 2007, bereits erledigt ist. Wäre dies nicht der Fall, würde das amtsgerichtliche Urteil eine Zäsurwirkung entfalten mit der Folge, dass aus dieser Vorverurteilung und den Einzelstrafen bezüglich der Taten zum Nachteil der Geschädigten A. , B. und S. , die schon vor der Rechtskraft der Vorverurteilung beendet waren (Beendigungszeitpunkt bezüglich A. am 31. Dezember 2006 und bezüglich B. und S. am 30. April 2007 [UA S. 8]), eine gesonderte Gesamtstrafe zu bilden gewesen wäre. Wäre dagegen die Geldstrafe bereits vollständig vollstreckt , würde das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2. Juli 2007 keine Zäsurwirkung mehr entfalten und käme für eine Gesamtstrafenbildung hier nicht mehr in Betracht. Schon aufgrund dieses Erörterungsmangels kann die Gesamtstrafenbildung daher keinen Bestand haben.
- 5
- b) Das Landgericht hat bei der Gesamtstrafenbildung weiterhin nicht die Zäsurwirkung der einbezogenen Vorverurteilung durch das Amtsgericht Augsburg vom 20. Juli 2007 berücksichtigt.
- 6
- Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausführt , kommt eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 1 StGB nur dann in Betracht, wenn die neu abzuurteilenden Taten vor der Rechtskraft der früheren Verurteilung begangen worden sind. Die neuen Taten müssen beendet sein. Ihre Vollendung allein reicht nicht aus (Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 5 u. 7 mwN).
- 7
- Dies hat das Landgericht nicht beachtet. Nach den Feststellungen wurde die einbezogene, bislang nicht erledigte Vorverurteilung vom 20. Juli 2007 durch die Verwerfung der hiergegen eingelegten Berufung erst mit Urteil vom 11. Juli 2008 rechtskräftig. Ein Teil der im vorliegenden Verfahren abgeurteilten Taten, nämlich diejenigen zum Nachteil der Geschädigten G. , H. , K. , Dr. Kr. , M. , Sc. und Sch. , sind allerdings erst nach dem Eintritt der Rechtskraft der einbezogenen Vorverurteilung beendet worden (Beendigungszeitpunkt bezüglich H. am 15. August 2008, bezüglich G. am 31. August 2008 und bezüglich der übrigen genannten Personen am 31. Juli 2008 [UA S. 9 und 10]). Insoweit entfaltet die einbezogene unerledigte Verurteilung eine Zäsurwirkung, mit der Folge, dass insoweit keine Gesamtstrafenlage nach § 55 Abs. 1 StGB bestand. Das Landgericht hätte daher (mindestens) zwei Gesamtstrafen bilden müssen, eine aus den Einzelstrafen für die oben genannten Taten, die erst nach Rechtskraft der Vorverurteilung beendet waren, und eine weitere aus den Einzelstrafen für die übrigen Taten, die vor diesem Zeitpunkt lagen. Lediglich in letztere Gesamtstrafe wäre die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 20. November 2007 einzubeziehen gewesen.
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- c) Der Senat kann nicht sicher ausschließen, dass der Angeklagte durch die rechtsfehlerhafte Gesamtstrafenbildung beschwert ist. Die Gesamtstrafe war daher aufzuheben.
- 9
- 3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 354 Abs. 1b S. 1 StPO zu entscheiden. Mit der abschließenden Sachentscheidung ist auch über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden (BGH, Beschluss vom 9. November 2004 - 4 StR 426/04).
- 10
- 4. Der Senat weist auf Folgendes hin:
- 11
- Für den Fall, dass die Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 2. Juli 2007 bereits vollständig vollstreckt ist, wird der neue Tatrichter diesen Umstand im Wege des Härteausgleichs bei der Straffestsetzung zu berücksichtigen haben (BGH, Beschluss vom 17. August 2011 - 5 StR 301/11).
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Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).
(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.
(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.
(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).
(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.
(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.